Tabula Peutingeriana
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Römisches Militär am Niederrhein
von Michael Gechter
I. Das kaiserzeitliche Heer V. Logistik
II. Das spätantike Heer VI. Bauten des Heeres
III. Bewaffnung und Ausrüstung VII. Sozialstruktur des Heeres
IV. Sold und Auszeichnungen VIII. Literatur und Verweise

Das spätantike niedergermanische Heer


Die Germaneneinfälle im 3. Jahrhundert zeigten sehr deutlich die Schwächen der römischen Grenzverteidigung. Waren die Truppen am Niedergermanischen Limes erst einmal überrannt, konnten die Angreifer ungehindert ins Reichsinnere vorstoßen, da im Hinterland der Limites keine nennenswerten Truppen mehr stationiert waren. Kaiser Gallienus zog daraus die Konsequenz und ließ 258 n. Chr. eine neue, gut bewegliche Truppe aufstellen: die Schlachtenkavallerie. Diese Truppe hatte für längere Zeit ihren Hauptstandort in Mailand. Der Oberbefehlshaber dieser Schlachtenkavallerie, (praefectus equitum) war der ranghöchste Offizier der römischen Armee. Insofern ist es nicht verwunderlich, daß viele der späteren Kaiser (Aurelian, Claudius und Probus) zuvor praefectus equitum gewesen waren. Die Schlachtenkavallerie bestand aus einzelnen größeren Korps, die teilweise bis zu 10000 Mann stark sein konnten. Zur Zeit des Gallischen Sonderreiches (258-273 n.Chr.) befanden sich in Gallien selbst keine solchen Truppenverbände. Erst nach 274 wurden Teile der Schlachtenkavallerie nach Innergallien verlegt und damit die Verteidigung am niedergermanischen Limes verstärkt. Mit Hilfe dieser Verbände sollten eingefallene Germanenscharen zurückgedrängt werden.

Nach den verheerenden Germaneneinfällen 275/276 wurde die alte Verteidigung am niedergermanischen Limes wiederaufgebaut. Im Hinterland standen jetzt einzelne Abteilungen der Schlachtenkavallerie. Da bei diesen Germaneneinfällen fast alle alten Truppenkörper am Rhein vernichtet worden waren, wurden sie durch neue, teilweise aus anderen Provinzen an den Rhein verlegte Einheiten ersetzt. An der Armeestruktur wurde aber nichts verändert: nach wie vor können wir Legionen, Alen und Kohorten nachweisen.

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Erst Kaiser Diokletian nahm eine Veränderung des Truppenbestandes vor. Er favorisierte die alte, ausschließlich auf die Grenzverteidigung bezogene konservative Konzeption. Aus diesem Grunde wurde die Schlachtenkavallerie aufgelöst und in kleinere Reiterschwadronen von ca. 100 bis 200 Mann strukturiert. Diese Verbände wurden dann an der Grenze in feste Lager verlegt. Die Provinzen wurden unter Diokletian ebenfalls verkleinert und jede Grenzprovinz erhielt jetzt als Standardbesatzung zwei Legionen nebst dazugehörenden kleineren Verbänden, die aus Alen, Kohorten und den schon erwähnten Reiterschwadronen bestanden. Dem Chef der Rheinverteidigung (dux) unterstand der gesamte Rheinlimes der beiden neuen Provinzen Germania I und II. Der dux war nur noch für die Truppen zuständig, Chef der zivilen Verwaltung war jetzt ein praeses oder consularis. Von den alten Einheiten lagen am Niederrhein noch die legio XXX im Räume Xanten und die legio I in Bonn. Dazu kam eine Reiterschwadron im Lager Köln-Deutz: der numeras Delmatarum. Diese Einheit lag bis 305 in Köln-Deutz. Die Stärke der einzelnen Verbände am Limes der Germania secunda zur Zeit von Kaiser Diokletian ist nicht bekannt.

Konstantin d.Gr. veränderte dann die römische Heeresstruktur noch einmal grundlegend. Er griff dabei auf die schon von Gallienus erprobte Zweiteilung des Heeres zurück. Es gab jetzt ein Grenzheer und ein Bewegungsheer. Die Grenztruppen blieben dieselben wie zur Zeit Diokletians. Aus den besten Einheiten des Grenzheeres wurden allerdings Teilverbände abgezogen. Sie bildeten zusammen mit völlig neu aufgestellten Einheiten das sog. comitatensische Heer, das Bewegungsheer. Dieses bestand aus Legionen, Auxilien und Reitervexillationen mit nur ca. 500 bis 1000 Mann. Die stärkste Einheit des Bewegungsheeres war die Legion mit 1000 Mann. Das Auxilium war jetzt ein Kampfverband, der nur aus Germanen bestand, die entweder aus reichsinneren Laetensiedlungen oder aus dem freien Germanien rekrutiert wurden. Ferner gab es noch die Reiterschwadronen, die aus den ehemaligen Teilen der Schlachtenkavallerie hervorgegangen waren. Der Oberkommandierende der beweglichen Streitkräfte war der sog. Heermeister (magister militum). Chef der Reiterei war der magister equitum, der der Infanterie der magister peditum.

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Das konstantinische System der Grenzsicherung - relativ schwache Verbände an der Rheingrenze, Eliteeinheiten im Hinterland - schützte die Rheingrenze bis zum Jahr 353/355. Dann wurde es durch mehrere verheerende Frankeneinfälle vernichtet. Nach der Vertreibung der Franken unter Julian wurde von Kaiser Valentinian I. zum letzten Mal die Reichsverteidigung am Rhein neu organisiert. Grundsätzlich blieb hierbei das alte konstantinische System erhalten: An der Grenze standen die Grenztruppen, im Hinterland die Eliteeinheiten. Zur Reorganisierung des Rheinlimes wurden jetzt aus den bestehenden Eliteeinheiten Truppenteile abgespalten, die an den Rhein verlegt wurden. Diese reinen Infanterieverbände waren alle gleich strukturiert und die Hälfte der Einheiten unterstand jeweils einem dux. Die Stärke dieser Einheiten ist unbekannt.

Das gallische Bewegungsheer war der schlagkräftigste Teil des römischen Heeres in dieser Zeit. Unter Kaiser Valentinian I. und seinem Bruder Valens wurde auch das Bewegungsheer neu organisiert. Es gab jetzt drei Klassen von Truppenverbänden: In der obersten Klasse befanden sich die besten Einheiten der Legionen und der Reiterschwadronen sowie alle barbarischen Auxilien. Diese Gruppe wurde palatini genannt, sie waren praktisch die Palastgarden der Kaiser. In der zweiten Gruppe, den Comitatenses, waren die übrigen Einheiten der Legionen und der Reiterschwadrone zusammengefaßt. Unter diesen war noch eine dritte Gruppe angesiedelt, die sog. pseudo-comitatensischen Verbände. Diese Truppen bestanden aus ehemaligen Limitaneinheiten, die durch Verkürzung der Grenzlinie nicht mehr an der Grenze benötigt wurden und als drittklassige Bewegungsheereinheiten zusammengefaßt wurden. Unter diesen standen im Rang die Limitaneinheiten, die eine vierte Truppenkategorie bildeten, da sie ausschließlich aus Milizsoldaten bestanden.

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Die spätantike Rheinflotte

Spätantikes Kriegsschiff
[Voll-Ansicht (380 KB)]
Es ist bislang unbekannt, inwieweit die spätantike Rheinflotte in den einzelnen Dukaten der Grenzverteidigung untergeordnet war. Wie auch das Landheer wurde die Flotte im 4. Jahrhundert neu organisiert. Es wurden jetzt kleinere Einheiten mit der Einführung neuer Schiffstypen gebildet. Die bis dato gebräuchlichen Flußliburnen wurden durch kleine Kampfschiffe (navis lusoria) ersetzt. Dieses kleine Schiff wurde durch eine Reihe Riemen angetrieben. Der Bootstyp war offengebaut und mit Haupt- und Fockmast versehen. Zum Antrieb haben acht Rojer genügt. 359 bemannte der Kronprinz Julian im Kampf gegen die eingedrungenen Germanen auf dem Rhein 40 solcher Schiffe mit 300 Soldaten. Hieraus ergibt sich eine Kampfbesatzung von ca. sieben bis acht Mann, die bei solch einem Schiff eben auch die Rojerfunktion mit übernahmen. Hinzu kommen noch ein Schiffsführer sowie ein oder zwei Matrosen für die Besegelung. Dieses Schiff könnte ca. 10 Meter lang und 2,5 Meter breit gewesen sein. Wie stark die germanische Flotte (classis Germanica) im 4. Jahrhundert war, können wir nicht sagen. Als Vergleich mögen die Zahlen der mösischen Donauflotte dienen. Im Jahr 412 wies diese Flotte 100 kleine Kampf schiffe (naves lusoriae) sowie zehn leichte Wachschiffe (naves agrarienses) und vier Reise- und Verbindungsfahrzeuge (naves iudiciariae) auf. Genaueres können wir über diese Schiffstypen nichts sagen.

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