Tabula Peutingeriana (Ende 12. Jh.): Ausschnitt aus dem Segment II
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Lage und Landschaft
 

Der Niederrhein in römischer Zeit

Geomorphologische Karte des Niederrheins
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"Dort, wo die Erft den Rhein begrüßt", hatten auch die Römer sich niedergelassen, um eines ihrer ersten Militärlager im Rheinland zu errichten. Genauer gesagt nördlich der Erftmündung und somit am Übergang von der Niederrheinischen Tiefebene zur Niederrheinischen Bucht, die sich bis hinter Bonn erstreckt. Da die landschaftlichen Gegebenheiten ohne Zweifel einen wesentlichen Einfluß auf die Wahl des Siedlungsortes ausgeübt haben, soll hier zunächst eine kurze Beschreibung des niederrheinischen Landschaftsbildes gegeben werden. Das folgende Text-Zitat stammt aus: T. Bechert - W. J. Willems (Hrsg.), Die römische Reichsgrenze von der Mosel bis zur Nordseeküste (Stuttgart 1995) 11 f.:

Rhein
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"Auf seinem Weg zwischen dem Rheinischen Schiefergebirge und der holländischen Nordseeküste durchfließt der Rhein bis heute sehr verschiedenartige Landschaften. Gehört das heutige Remagen noch zum Mittelrheintal, das für größere Siedlungen nur wenig Platz bot, so öffnet sich noch vor Bonn auf der Höhe des Drachenfelsens die Niederrheinische Bucht, die sich nach Westen hin bis zum Fluß der Eifel ausdehnt und nördlich von Erft und Ruhr in das Niederrheinische Tiefland übergeht. Dieses gliedert sich in die mittlere Niederrheinebene, die bis Xanten reicht, und die untere Rheinniederung, die das Gebiet bis Nijmegen umfaßt. Den Siedlungsschwerpunkt der Provinz Germania inferior bildete die Niederrheinische Bucht, an deren Ostrand die Provinzhauptstadt Agippina (Köln) lag und deren fruchtbare Lößböden reiche Kornernten hervorbrachten. Dagegen waren die meist sandigen Böden des Niederrheinischen Tieflands für den Ackerbau weniger geschaffen. Große Flächen des Landes waren überdies bewaldet; der Reichswald bei Kleve gibt hiervon noch heute eine Vorstellung.

Westlich von Nijmegen erstreckt sich die Rhein-Maas-Marsch mit dem weitverzweigten Rhein-Maas-Delta. In diesem Gebiet haben sich seit römischer Zeit die größten Landschaftsveränderungen vollzogen. Drastisch schildert C. Plinius - offenbar aus eigener Anschauung - die Auswirkungen der Gezeiten, die in regelmäßiger Wiederkehr »mit unermeßlichen Wellen in das Land« eindringen und es mit ihren salzigen Fluten bedecken, so daß man zweifeln könne, »ob denn der Boden zur Erde oder zum Wasser gehöre« (nat. hist. XVI 2 f.). Könnte man aus dieser sicher sehr summarischen Plinius-Nachricht die Vorstellung von ausgesprochen ungünstigen Siedlungsverhältnissen gewinnen, so stehen dem die Erkenntnisse der niederländischen Archäologie im sog. Rivierengebiet gegenüber, die deutlich machen, wie gut die Menschen jener Zeit mit den Unbilden der Natur fertig wurden und das Rhein-Maas-Delta besiedelten.

Einen gewissen Schutz boten die Dünenlandschaften entlang der Nordseeküste, die jedoch dort, wo Scaldis (Schelde), Vahalis (Waal), Mosa (Maas) und Rhenus (Rhein) mündeten, breite Öffnungen hatten. Römische Autoren überliefern, daß es wahrscheinlich drei Mündungsarme des Rheins gegeben hat. Über den mittleren, der die Grenze zu Germanien bildete, heißt es bei Tacitus: »Der (Mündungsarm) auf der germanischen Seite behält den Namen Rhenus und auch die starke Strömung, bis er sich in den Ozean ergießt« (ann. II 6). Der Fluß ist in nachrömischer Zeit seinem natürlichen Gefälle gefolgt und mündet heute über Waal und Lek in die Nordsee. Doch hat sich der alte Hauptlauf zwischen Looward und Katwijk als »Neder Rijn«, »Kromme Rijn« und »Oude Rijn« erhalten. Zwischen dem damaligen Rheinlauf und der Waal lag die insula Batavorum, das Stammland der Bataver, an das der heutige Landschaftsname »Betuwe« erinnert."

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Lagebeschreibung

Geomorphologische Karte von Neuss und seiner Umgebung
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Luftaufnahme der Erftmündung
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Erftmündung
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Bereits vor den Römern gehörte das Gebiet des heutigen Neuss zum Siedlungsraum der Eburonen, die damals zwischen Rhein und Maas lebten. In Folge ihres Widerstandes unter ihren Fürsten Ambiorix und Catuvolcus gegen die römische Besatzung wurden sie jedoch von Caesars Truppen wenn nicht gänzlich vernichtet, so doch zumindest als Stammesverband aufgelöst. (Caes. Gall. 5,26.29.33)

Die römischen Lager bei Neuss (Novaesium) lagen, wie gesagt, nördlich der heutigen Erftmündung am Rhein. Der archäologisch erfaßbare Siedlungsraum von Novaesium erstreckte sich über eine mehrere Quadratkilometer große Fläche. Das Areal wird fast allseitig von natürlichen Hindernissen umgrenzt, dem Meertal - eine heute weitgehend durch Wohnhäuser bebaute Niederung zwischen dem Ortsteil Gnadental und der Neusser Innenstadt, wo sich in römischer Zeit ein undurchdringliches Sumpfgebiet befand -, der Rhein- und Erftaue, dem Reckenberg, dem Berghäuschens Weg, dem Galgenberg und dem Katzenberg.

Nach römischem Staatsrecht gliedert sich das Gebiet in das territorium legionis, das Militärterritorium, und in das Territorium der Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA), der römischen Stadt Köln, mit der zivilen Ansiedlung über dem Büchel in der Neusser Altstadt. Das territorium legionis umfaßt die Militärplätze am Meertal, an der Erftmündung und beim Reckberg, die Lagerstädte und -dörfer bei den Garnisonen mit ihren Gräberfeldern längs der bedeutenderen Straßenzüge und die im Umland der Lager angesiedelten villae rusticae (Gutshöfe), die aus logistischer Sicht einen wesentlichen Beitrag zur Versorgung der Truppe leisteten. Die zivile Landgemeinde reichte etwa vom Obertor bis St. Quirin. Ihre Gräberfelder dehnten sich außerhalb der Ansiedlung nach Südosten in Richtung des Truppenplatzes aus, nach Nordwesten längs der römischen Fernstraße nach Vetera (Xanten) bis über den Hauptbahnhof hinaus - es handelt sich hier um die größte Nekropole von Novaesium - und nach Südwesten in Richtung Reuschenberg entlang einer noch (1989) nicht durch Bauvorhaben aufgedeckten römischen Fernstraße nach Trier.

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Neuss. Gesamtplan der römischen Fundstellen
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Truppenplatz an der Erftmündung

Sumpfgürtel bei Neuss und frühe FernstraßenAusschlaggebend für die frühe Anlage des Truppenplatzes waren günstige verkehrs- und siedlungsgeographische Voraussetzungen. Die Lager am Niederrhein, zu denen auch Novaesium zählte, sollten zunächst den Aufmarsch der römischen Kontingente bei der Absprungbasis Vetera (Xanten) in frühaugusteischer Zeit sichern. Dabei ging es den Planern des Neusser Lagers anscheinend nicht so sehr um seinen größtmöglichen Schutz vor etwaigen Angriffen. Sie errichteten es bezeichnenderweise nördlich der Erftmündung und nicht südlich davon, wo es wesentlich leichter zu verteidigen gewesen wäre.
Durch Auslaufen der Ville öffnete sich die Kölner Bucht zum niederrheinischen Flachland. Die durch den Höhenzug nach Nordwesten abgedrängte Erft konnte nunmehr von der Hauptterrasse aus dem Nordwesten abschwenken und südlich von Neuss in den Rhein einmünden, nahe dem südlichsten Übergang über den Fluß, von welchem aus der Hellweg (Verbindung zwischen Rhein und Weser) noch ohne größere Erschwernisse über das niederbergische Hügelland erreicht werden konnte.
Der Truppenplatz bei der Erftmündung kontrollierte nicht nur den Flußübergang, sondern auch den Zugang zur Kölner Bucht und damit auch zur CCAA (Köln). Nördlich der Erft kamen Fernstraßen aus Norden, Westen, Südwesten und Süden (Xanten, Belgien, Trier und Köln) zusammen. Für den Kölner Raum hatte ein Lager an dieser Stelle eine Brückenkopfstellung, von der aus die Fernwege sehr gut überwacht und genutzt werden konnten.

Literatur:

  • T. Bechert - W. J. Willems (Hrsg.), Die römische Reichsgrenze von der Mosel bis zur Nordseeküste (Stuttgart 1995) 11 f.
  • J. Heinrichs, Zur Topographie des ubischen Neuss anhand einheimischer Münznominale, Bonner Jahrbücher 199 (Bonn 1999) 69-72.
  • J. Klostermann, Klima und Landschaft am römischen Niederrhein, in: Th. Grünewald (Hrsg.), Germania inferior. Besiedlung, Gesellschaft und Wirtschaft an der Grenze der römisch-germanischen Welt, Beiträge des deutsch-niederländischen Kolloquiums im Regionalmuseum Xanten, 21.-24. September 1999, Reallexikon der germanischen Altertumskunde Ergänzungsband 28 (Berlin 2001) 36 ff.
  • K. N. Thome, Der landschaftliche Rahmen für die Gründung von Novaesium, in: Novaesium - Neuss zur Römerzeit, Schriftenreihe der Volkshochschule Neuss, Heft 4 (Neuss 1989) 23-44
  • ders., Raumgestaltung um Neuss durch natürliche Landschaftsformung, in: Vereinigung der Heimatfreunde Neuss e.V. (Hrsg.), Neuss als Landschaft. Eine Darstellung der schützenswerten Landschaft in Neuss und ihre naturkundlichen Gegebenheiten (Neuss 1974) 11-37

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