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Römisches Militär am Niederrhein
von Michael Gechter
I. Das kaiserzeitliche Heer V. Logistik
II. Das spätantike Heer VI. Bauten des Heeres
III. Bewaffnung und Ausrüstung VII. Sozialstruktur des Heeres
IV. Sold und Auszeichnungen VIII. Literatur und Verweise

Novaesium war in der Antike bekanntlich vor allem als militärische Anlage von Bedeutung. Daher ist die Kenntnis des römischen Militärs, sowohl hinsichtlich des Aufbaus der Armee als auch der Architektur der Lager, für das Verständnis der römischen Vergangenheit von Neuss wichtig. Aus diesem Grund soll hier ein Überblick über das römische Heer am Niederrhein gegeben werden. Der folgende Text stammt von Michael Gechter, Das römische Heer in der Provinz Niedergermanien, in: Heinz Günter Horn (Hrsg.), Die Römer in Nordrhein-Westfalen (Stuttgart: Theiss Verlag 1987) 110-138:

Das kaiserzeitliche Heer

Das römische Heer der Kaiserzeit bestand aus Legionen, Hilfstruppen und Flotten. Daneben gab es noch die Garde des Kaisers in Rom. Den Kern des Heeres bildeten die ca. 28 Legionen, die zwischen 5500 und 6000 Mann stark waren. Diese Legionen bestanden aus freiwilligen Berufssoldaten, die sich für 20 Jahre aktiven Dienst verpflichten mußten. Voraussetzung zum Eintritt in die Legion war der Besitz des römischen Vollbürgerrechtes.

Die Hilfstruppen (Auxiliareinheiten) waren kleinere Einheiten von je 500 bzw. 1000 Mann Stärke. Sie bestanden auch aus Berufssoldaten, die entweder freiwillig eingetreten waren oder in den Provinzen ausgehoben worden waren. Zum Eintritt in die Hilfstruppen war das römische Bürgerrecht keine Voraussetzung. Die Dienstzeit in den Hilfstruppen betrug 25 Jahre. Während die römischen Legionen hauptsächlich aus Infanterieeinheiten bestanden, gab es bei den Hilfstruppen auch reine Kavallerieverbände. In Niedergermanien betrug das Verhältnis von Infanterie- zu Kavallerieeinheiten ca. 3:1.

Die römische Rheinflotte, die für beide germanischen Provinzen zuständig war, hatte ihr Hauptquartier in Niedergermanien. Die Flotte besaß den Status einer Hilfstruppe, ihre Soldaten rekrutierten sich hauptsächlich aus Völkern des östlichen Mittelmeeres. Über die Stärke der Flotte in Germanien können wir keine verläßlichen Angaben machen.

Während der Kaiserzeit wurden von Zeit zu Zeit ad hoc Einheiten aufgestellt, sog. Vexillationen, die aus mehreren Hilfstruppeneinheiten und auch Teilen von Legionen bestanden und für spezielle Arbeitseinsätze bzw. Kriegszüge abkommandiert wurden. Über die Stärke solcher Einheiten wissen wir nichts Genaues, sie waren jedenfalls größer als eine einzelne Hilfstruppe.

Zu Beginn des 2. Jahrhunderts entstand eine neue Gattung von Hilfstruppen, die sog. numeri. Ihre Stärke machte meist nur ein Drittel einer normalen Infanteriehilfstruppe aus. Die Numeri gab es als Infanterie- und Kavallerieeinheit. Sie lagen meist in kleineren Kastellen und wurden häufig auch zu Kundschafterdiensten herangezogen. Im Gegensatz zu Obergermanien, von wo über zehn Numeri bekannt sind, kennen wir aus Niedergermanien nur vier solcher Einheiten.

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Organisation der Einheiten

Der höchste Soldat und direkte Vertreter des Kaisers in der Provinz Niedergermanien war der Statthalter (legatus Augusti pro praetore). Er vereinigte in seiner Hand den Oberbefehl über die Armee mit der höchsten zivilen Gerichts- und Verwaltungsbefugnis, d. h. er war sowohl oberster Militärbefehlshaber als auch oberster Richter. Die Mitarbeiter seiner Dienststelle bestanden hauptsächlich aus abkommandierten Soldaten, die die gesamte Verwaltungsarbeit erledigten.

Das Kommando in Niedergermanien war ein relativ ranghohes. Von den ca. 40 Provinzen des Römischen Reiches unterstanden nur die, in denen sich die Truppen aufhielten, direkt dem Kaiser; die übrigen Provinzen wurden vom Senat verwaltet. Es gab nur neun kaiserliche Provinzen, in denen mehrere Legionen standen. Die Statthalter dieser Provinzen wurden meist sorgfältig ausgewählt und waren von vornherein für weitere Kommandos vorgesehen. Sie waren immer frühere Konsuln und kamen meist mit 40 Jahren an den Rhein. Die Dauer ihrer Statthalterschaft in Niedergermanien betrug zwischen drei und fünf Jahre.

Neben den reinen Verwaltungsaufgaben war der Statthalter auch für die Sicherheit auf den Fernstraßen zuständig. Aus diesem Grund gab es an allen wichtigen Straßen Polizeistationen, die von einem Unteroffizier einer Legion (Benefiziarier) befehligt wurden. Solch ein Kommando war sehr angesehen und die dafür Abgestellten taten alles, damit ihre Stellung auch sichtbar wurde. Als Rangzeichen trugen sie eine Lanze mit einer speziellen Spitze. Dieses Lanzenzeichen ist häufig als Anhänger oder auch als Fibelverzierung in Straßenstationen und Legionslagern nachzuweisen. Benefiziarier konnte ein Unteroffizier nach ca. 14 Dienstjahren werden.

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Ebenfalls zum Stab des Statthalters gehörte eine kleinere Gruppe von Kavalleristen und Infanteristen (equites und pedites singulares). Sie waren aus den einzelnen Hilfstruppen der Provinz abkommandiert worden und wurden als Schutztruppen für den Legaten bzw. als Meldereiter eingesetzt.

Eine Legion von ca. 5500 Mann war in zehn Kohorten aufgegliedert. Die erste Kohorte war 1000 Mann stark, die zweite bis zehnte nur 500. Diese letzteren waren wiederum in drei Manipel zu jeweils zwei Centurien aufgegliedert. Eine Centurie bestand aus 80 Mann Kampftruppen. Die sechs Centurien der ersten Kohorte waren etwas stärker. Insgesamt bestand die Legion also aus 60 Centurien. Zusätzlich gab es in einer Legion noch vier Kavalleriezüge mit einer Gesamtstärke von 120 Mann für Aufklärungs- und Meldezwecke.

Neben diesen reinen Kampfverbänden gehörte noch eine große Anzahl von technischem Versorgungspersonal, Handwerkern und reinen Verwaltungsbeamten zur Legion. Sie verwalteten die Magazine, arbeiteten als Arzte im Lazarett und warteten als Waffentechniker die Waffen und die Geschütze (catapulta). Zu ihnen gehörten auch die Baumeister und Architekten, die in Friedenszeiten die komplizierten Ingenieurbauwerke (Festungsanlagen, Aquädukte, Hafenanlagen, Brücken und die meisten öffentlichen Gebäude) errichteten. Sie hatten alle den Rang von Unteroffizieren oder Gefreiten.

Legat und Imaginifer
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Centurio und Aquilifer
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Grabstein eines Legionärs
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Die Legionen wurden von Legaten befehligt, die dem Statthalter direkt unterstanden. Der Legionslegat bekam das Amt mit Anfang 30 und übte es für ca. drei Jahre aus. Er stammte aus einer senatorischen Familie und erreichte nach einigen stadtrömischen Amtern und einem Legionstribunat durch kaiserlichen Erlaß die Legionskommandantur. Von dieser Position erreichte er meist das Konsulat und dann die konsulare Statthalterschaft einer Provinz. Unter dem Legaten einer Legion standen die sechs Militärtribune, die Stabsoffiziere einer Legion.

Ranghöchster Truppenführer war der Lagerkommandant (praefectus castrorum). Dieser Praefectus aus dem Ritterstand konnte, genau wie der senatorische Tribun (tribunus laticiavius), kleinere Legionsvexillationen führen. Er war für die gesamte Logistik verantwortlich. Ihm unterstand auch das militärische Nutzland einer Legion mit allen darauf lebenden zivilen Einwohnern.

Unterhalb der sechs Stabsoffiziere standen die 59 Centurionen einer Legion, die alle direkt ihre Truppen führen mußten. Um die Centurionen besser im Gefecht erkennen zu können, trugen sie im Gegensatz zu den Mannschaften einen quergestellten Helmbusch.

Aus der unter den Centurionen stehenden großen Gruppe der Unteroffiziere (principales) wurden die Benefiziarier ausgewählt. Unter diesen Unteroffizieren standen immunes, den Gefreiten vergleichbar.

Die einfachen Soldaten (milites) waren Berufssoldaten und hatten sich meist freiwillig zur Armee gemeldet. Ihre aktive Dienstzeit betrug 20 Jahre, dazu kamen noch einmal fünf Jahre als Veteran. Diese Mindestdienstzeit wurde allerdings häufig überschritten. Bei der Entlassung erhielten die Legionssoldaten, die alle römische Bürger waren, meist eine Geldabfindung; im 1. Jahrhundert in Niedergermanien allerdings auch noch eine Landzuweisung.

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Auxiliareinheiten

Neben den Legionen gab es noch eine größere Anzahl von Einheiten (auxilia) in der Provinz mit nichtrömischen Bürgern (peregrini). Diese Auxiliareinheiten wurden in der Kaiserzeit aus den unterworfenen Stämmen ausgehoben.

Sie waren teilweise einer Legion zugeordnet. Die Kommandeure (praefecti) der Auxiliareinheiten, Kohorten (cohortes) oder Kavallerieeinheiten (alae), stammten aus dem Ritterstand und kamen im l. Jahrhundert noch aus Italien, ab Mitte des 2. Jahrhunderts setzte sich dann die provinziale Herkunft durch. Im 3. Jahrhundert gab es keine italischen Auxiliarkommandeure in Niedergermanien mehr.

Auxiliarreiter

Eques alae: Bewaffnung und Ausrüstung römischer Auxiliarreiter zu Anfang und gegen Ende des 1. Jhs. n. Chr. (nach P. Connolly)

Die ranghöchste Truppe der Auxiliareinheiten war die Kavallerie. Ihr Kommandeur war ein Ritter, der diese Stellung nach einem Militärtribunat bei der Legion durch direkte kaiserliche Ernennung erhielt. Unter ihm standen die Führer der Alenzüge (turmae), die Dekunonen. Eine normale Ala (ala quingenaria) bestand aus 16 Zügen à 32 Kavalleristen, eine ala milliaria dagegen aus 24 Türmen à 42 Reitern. Die Dekurionen sind den Centurionen bei der Infanterie vergleichbar. Für sie gilt ähnliches wie für diese. Zwischen ihnen und den einfachen Reitern (eques) standen noch die Unteroffiziere und Gefreiten.

Die Kohorten, reine Infanterieverbände, waren wie die Legionskohorten aufgeteilt. Vereinzelt gab es auch größere Kohorten, mit der doppelten Sollstärke (cohors milliaria) mit einem Tribunus an der Spitze. Auch bei der Kohorte galt die gleiche strenge Hierarchie wie bei den Legionen.

In dem Maße, in dem die Ala und Kohorte zu vollwertigen, teilweise auch selbständig operierenden Truppen wurden, mußte ein gewisser Ersatz für sie geschaffen werden. Deshalb wurden Anfang des 2. Jahrhunderts die sog. numeri aufgestellt. Sie bestanden meistens - wie ursprünglich die anderen Auxiliareinheiten auch - aus Stammesmitgliedern einer bestimmten Völkerschaft, die noch nicht römische Vollbürger waren. Sie waren ca. 150 Mann stark und bestanden aus vier Centurien ä 30 Mann. Der Kommandant eines numerus war ein abkommandierter Legionscenturio (praepositus numeri).

Ebenso wie bei den anderen Einheiten gab es bei den Centurien eines Numerus eine stark hierarchische Gliederung. In der Rangordnung des römischen Heeres gab im 2. Jahrhundert die Kohorte die letzte Stelle an die Numeri ab.

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Die römische Flotte

Die römische Flotte in Germanien
Ein Artikel von Th. Fischer
In Köln-Alteburg befand sich das Hauptquartier der römischen Kriegsflotte in Germanien. Trotz der großen Bedeutung dieses einzigen römischen Flottenlagers auf deutschem Boden war bisher wenig über es bekannt. Neue archäologische Forschungen bringen endlich Einzelheiten zu Tage. ... [weiter]

Der Befehlshaber der römischen Rheinflotte stammte aus dem Rittergeschlecht. Über die innere Struktur der Rheinflotte können wir kaum etwas sagen. Ihr Hauptstützpunkt war das Flottenlager Köln-Alteburg. Daneben gab es noch andere kleinere Stützpunkte am Rhein und an der vorgelagerten Nordseeküste. Die Flotte war zuständig für den gesamten Rhein und dessen Nebenflüsse sowie den Küstenstreifen im Gebiet des Rhein-Maas-Scheide-Deltas. Über die Stärke ist nichts bekannt. Nach einem Hinweis für 16 n. Chr. bestand sie damals aus ca. 1000 Schiffen. Die Schiffstypen, die wir für die Rheinflotte vermuten können, waren Flottentransporter, leichte Wachschiffe sowie schwere Kriegsschiffe. Die Schiffe wurden sowohl gerudert als auch besegelt.

Einer der am häufigsten vertretenden Schiffstypen war die Flußliburne. Dieses Schiff war mit zwei übereinanderliegenden Ruderreihen versehen. Insgesamt trieben 44 Ruderer (Rojer) solch ein Flußkampfschiff an. Wie alle antiken Schiffe wies auch dieser Typ einen ausgeprägten Rammsporn auf. Diese Schiffe können ca. 21 Meter lang und 3,30 Meter breit gewesen sein und einen Tiefgang von ca. 0,7 Meter gehabt haben. Die Besatzung mag aus 44 Rojern, 4 Matrosen zur Bedienung der Besegelung und eventuell 16 Seesoldaten bestanden haben.

Außer den Flußliburnen sind auch Flußtriremen bekannt, die den Liburnen sehr ähnelten, sich aber durch eine dritte zusätzliche Rojerreihe von diesen unterschieden. Die Besatzung eines Schiffes und somit auch die der gesamten Rheinflotte war in nautisches Personal und Marineinfanterie gegliedert, das nautische Personal wiederum in den seemännischen und den schiffstechnischen Dienst. Zum seemännischen Dienst gehörten die Matrosen (velarii), die für die Besegelung und den Wachdienst zuständig waren. Ihnen übergeordnet war der Segelmeister (velarius duplicarius), ein Unteroffizier.

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Der schiffstechnische Dienst bestand aus den Rojern (remiges), die das Schiff durch die Riemen antrieben. Im Unteroffiziersstand ist ihnen der Rojermeister (celeusta) vorgesetzt.

Der Rojermeister und der Segelmeister unterstanden dem ersten Offizier (gubernator) der für die gesamte Schiffsführung zuständig war. Ihm vorgesetzt war der Kapitän (trierarchus). Ab Mitte des 2. Jahrhunderts war der Trierarchus dem Legionscenturio gleichgestellt.

Chef der Marineinfanterie auf einem Schiff war der centurio classicus. Auf größeren Kampfschiffen war er dem Kapitän gleichgestellt. Der Kapitän hatte nur dann Befehlsgewalt über die Marineinfanterie, wenn die nautische Situation es erforderte. Die Marineinfanterie war meist an Land kaserniert und wurde nur bei Fahrten an Bord genommen.

Allen Hilfstruppenangehörigen wurde nach Ablauf ihrer Dienstzeit (25 Jahre bei den Alen und Kohorten, 26 Jahre bei der Flotte) das römische Bürgerrecht verliehen. Hierüber wurde dann eine Urkunde ausgestellt, das sog. Militärdiplom, das der Betreffende mit nach Hause nehmen konnte.

Im l. Jahrhundert n. Chr. bestanden diese Truppen noch zum großen Teil aus den Ländern, in denen sie ursprünglich ausgehoben worden waren. Für Niedergermanien bedeutete dies, daß die Angehörigen der Einheiten aus Gallien, Spanien und vom Balkan kamen. Wie bei den Kommandeuren der Auxiliareinheiten schon gezeigt, setzte sich das germanisch-gallische Element bei den Hilfstruppen vom 2. Jahrhundert an immer stärker durch. Nur die Flotte machte hier eine Ausnahme. Die Flottensoldaten kamen auch noch im 2. und im 3. Jahrhundert aus dem Osten des Reiches. Ab Ende des l. Jahrhunderts traten auch verstärkt römische Bürger den Auxiliarverbänden bei. In dieser Zeit konnte nicht mehr so scharf zwischen Legionären und Auxiliaren getrennt werden.

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