Tabula Peutingeriana
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Alltag in Novaesium
von Michael Gechter
I. Landwirtschaft - Nahrungsmittel V. Bekleidung
II. Eßgewohnheiten VI. Tracht und Sozialstruktur
III. Wohnungen VII. Literatur und Verweise
IV. Handwerk und Alltag    

Tracht und Sozialstruktur


Die Kleidung der Provinzialen und auch der Soldaten war schon so weit genäht, daß zum Verschluß keine besonderen Schließen benötigt wurden. Mit einer Ausnahme: der Mantel der Soldaten mußte noch mit einer Fibel auf der rechten Schulter geschlossen werden. Der gallische Kapuzenmantel und auch die Mäntel der Frauen wurden vorne mit Knebeln oder auch schon Knöpfen geschlossen. Nur im Bereich der Frauenkleidung können wir ab Mitte des l. Jahrhunderts einen Wandel feststellen. Die großen, schweren Fibeln verschwinden und machen kleineren, bedeutend flacheren Formen Platz. Diese wurden jetzt nicht mehr als Gewandschließe, sondern als broschenähnliches Schmuckstück getragen.

Fibeln sind ein sehr gutes Leitfossil zum Datieren und wir können dabei zwei Grundformen feststellen:
l. flache, oft reich verzierte Formen, die wohl hauptsächlich von Frauen benutzt wurden;
2. hochgewölbte, schwere Formen, sog. Mantelfibeln, die fast ausschließlich zum Zusammenstecken des Militärmantel dienten.

Die Männerkleidung der Provinzialbevölkerung benötigte keine Fibeln mehr. Nun zeigt es sich, daß gegen Mitte des 2. Jahrhunderts die Mode, Broschen (Fibeln) zu tragen, verschwand. Ende des 2. Jahrhunderts finden sich kaum noch Schmuckfibeln in Fundbeständen römischer Fundplätze. Wir kennen Ausnahmen nur aus dem Bereich der Lagervorstädte. Die Frauen der Soldaten scheinen die Broschen noch weiter getragen zu haben. Hier können wir auch jüngere Formen der Schmuckfibelentwicklung feststellen, die ansonsten in der Provinz nicht mehr vorkommen. Es scheint, daß wir mit den Fibeln dieser Zeit, die nur von Soldaten und ihren Frauen getragen wurden, eine Kastenbildung des Militärs gegenüber der übrigen Bevölkerung nachweisen können.

Wie schon angedeutet, waren die Soldaten die einzigen, die ständig über Bargeld verfügten. So verdiente ein Legionär als Grundgehalt im Jahr ca. 300 Denare, ein Alenreiter (Kavallerieeinheit) 200, ein Reiter in einer Infanterieeinheit 150 und ein einfacher Infanterist einer Hilfstruppeneinheit 100 Denare, ein Legionscenturio dagegen über 5000 Denare. Von diesem Geld wurde ein Großteil einbehalten, um für die Verpflegung der Soldaten zu dienen. Aber einiges Geld konnten sie doch behalten. Vereinzelt konnten sie auch kleine Geschäfte machen oder Tauschhandel treiben. Da sich die Soldaten ab Anfang des 2. Jahrhunderts aus ihren Standorten und aus der Provinz, in der ihre Truppe lag, rekrutierten, können wir davon ausgehen, daß sich seit dieser Zeit ein gewisser Soldatenstand herausbildete. Sichtbares Zeichen dieses Standes waren farbenprächtigere Kleidung und eine größere Schmuckfreudigkeit.

Die Frauen trugen ihren Schmuck offen zur Schau. Die Soldaten schmückten sich mit vielfarbigen emaillierten Anhängern an ihren militärischen Ausrüstungsgegenständen, die sie selbst kaufen mußten. Wir können im 2. und im 3. Jahrhundert identische Verzierungsweisen auf Schmuckfibeln und auf Anhängern der Soldaten feststellen. Beides ist häufig in denselben Werkstätten hergestellt worden.

Es sieht so aus, als ob wir hier ab Anfang des 2. Jahrhunderts wirklich eine eigene Soldatenkaste vorfinden, die sich nicht nur durch ihren Bargeldbesitz, sondern auch durch etwas andere Kleidung, die schmuckfreudiger und altmodischer war, von der anderen Bevölkerung abhob. Diese Kaste verschwindet in Folge der Germaneneinfälle um 260 und 275 völlig. Sowohl Schmuckfibeln als auch Schmuckanhänger fehlen von dieser Zeit an. Die restliche Auflösung besorgten dann die Heeresreformen unter Diokletian und Konstantin, in denen die totale Neuorganisierung des römischen Heeres vorgenommen wurde.

Quelle: Michael Gechter, Das Alltagsleben im römischen Neuss, in: H. Chantraine u.a., Das römische Neuss (Stuttgart: Theiss Verlag 1984) 121-147.

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