Tabula Peutingeriana (Ende 12. Jh.): Ausschnitt aus dem Segment II
Impressum   Inhalt   Startseite 
 
  Novaesium
  - Vorgeschichte
  - Lager
- Canabae legionis
  - Villae rusticae
  - Kultkeller
  - Reckberg
  - Zivilvicus
  - Spätantike

  Vorwort
  Landschaft
  Forschung
  Geschichte
  Militär

  Schriftquellen
  Alltag und Kult

  Literatur
  Verweise
  Glossar
  News

  Weblog
  Gästebuch
  Kontakt
 
 
Canabae legionis
 

Beispiel Echzell. Computeranimation des Kastells mit Lagervicus
[Voll-Ansicht (38 KB)]
Mit der Einrichtung des niedergemanischen Limes und dem damit verbundenen Ausbau der ständigen Truppenstandorte seit claudischer Zeit wandelten sich die irregulären Camps des die Truppe begleitenden zivilen Trosses in die seßhafte Organisationsform der canabae legionis und der Lagervici - Lagerstädte und -dörfer um Legionslager und Auxiliarkastelle - um.[ 1 ] Errichtet auf dem Legionsterritorium und somit der Aufsicht des Lagerkommandanten unterstellt, glichen sie zivilen städtischen und dörflichen Gemeinwesen, von denen sie sich nur durch die Rechtsstellung unterschieden. So konnte es dort gleichfalls u.a. Tempel, Marktplätze, Thermen, Theater und Amphiteater gegeben haben. Der Name 'canabae' bezeichnete ursprünglich die Verkaufsbuden von Krämern und Weinhändlern, die Lagerschuppen und Kneipen, woraus sich die Funktion der canabae legionis ergibt. Hier gab es alle Gewerbe, die für das Leben der Soldaten und ihrer Familien im Lager notwendig waren. Neben, wie gesagt, den Buden von Krämern, Bäckern und Köchen standen den Soldaten auch Bordelle und Kneipen zur Verfügung. Befanden sich in augusteisch-tiberischer Zeit die Werkstätten der Handwerker noch innerhalb des Lagers, so wurden sie in der Folgezeit nach außen, in die canabae verlegt. Das betraf vor allem feuergefähliche Gewerbe, wie Bäckereien, Töpfereien und Reuchereien. Zeugnisse dieser Alltagswelt wurden auch in Neuss gefunden, so die Reste eines Töpferofens mit Brennkammer und Einstellboden und ein Ziegelofen von 5 m Länge und 2,4 m Breite. Weiterhin wurden verschiedene Räucherkammern entdeckt, darunter auch eine aus Ziegeln errichtete Anlage, und Backöfen in Form von kleinen ausgeschachteten Erdhöhlen und kreisrunden Gruben. Zahlreiche Schmelztiegel und -fragmente, die in Planierungsschichten und Gruben gefunden worden sind, belegen die Wiederverwertung und den Guß von Altmaterialien und Werkstattabfällen.

Vermutliche Ausdehnung der Lagervorstädte der Lager B-F Vermutliche Ausdehnung der Lagervorstadt von Lager G
[Voll-Ansicht (36 KB)]
[Voll-Ansicht (43 KB)]

Die beiden Ansiedlungen erstreckten sich hauptsächlich entlang der von Lagern ausgehenden Hauptstraßenzüge. In der Zeit der Lager B-F, also in den ersten 30 Jahren n. Chr., waren dies die Kölner Straße und entlang der A 57 nordöstlich des Autobahndreiecks Neuss. Nach der Verlegung des Kastells an die Erft erstreckte sich die Lagervorstadt auf drei Seiten des Lagers und nahm, einschließlich der Friedhöfe, das Gebiet ein, welches heute von der Erft, der Autobahn, dem Nordkanal und dem Sporthafen eingerahmt wird. Die Häuser der Siedlungen waren anscheinend überwiegend langgestreckte Fachwerk- oder Steinbauten gewesen, die mit ihrer schmalen Stirnseite zur Straße ausgerichtet waren und Wohn- und Gewerberäume unter einem Dach vereinigten. Auf Grund späterer Überbauungen und Abtragungen konnten bislang allerdings nur wenige Kenntnisse über die Siedlungen gewonnen werden.

Speicher. Plan und Rekonstruktion
[Voll-Ansicht (26 KB)]
Nur tiefer fundamentierte Gebäude, wie etwa Speicherbauten (horrea), ließen sich archäologisch fassen. Drei Speicher konnten unweit des Nordkanals an der Dunanstraße ausgegraben werden. Die zwei älteren Bauten waren 24 m lang und 10 m breit bzw. 21 m lang und 14 m breit. Der Speicherboden ruhte jeweils auf in Längsrichtung über Holzpfosten verlegte Rahmen. Die Wände waren wahrscheinlich als Ständerfachwerk auf den Speicherboden aufgesetzt gewesen. Das jüngere horreum wurde über eines der älteren errichtet und maß wahrscheinlich15 m in der Länge und 7 m in der Breite. Auch hier wurde der Aufbau wiederum von einer Substruktion aus Holzpfosten getragen. Anscheinend war dem Speicher auch noch eine 3,5 m tiefe Vorhalle vorgelagert gewesen, von der sich die südwestliche Ecksäule noch erhalten hat. Nach G. Müller wurden die älteren Speicher wahrscheinlich während des Bataveraufstandes 69/70 zerstört.

Bei zwei Grabungskampagnen 1980 und 1994 wurde im Bereich der Dunanstraße, auf dem Gebiet des Annexes der jüngsten tiberischen Lager und unmittelbar nördlich des 'Koenenlagers', ein Steinfundament untersucht, daß zu einem basarähnlichen fabrica-Bau von etwa 45 m Länge und mehr als 35 m Breite gehört. Der Eingang des Gebäudes lag im Westen und besaß eine Porticus. Anhand des Baubefunds konnten zwei Bauphasen festgestellt werden: Die erste Phase fällt mit der Errichtung des Koenenlagers zusammen und wird um die Mitte des 1. Jahrhunderts angesetzt. Spuren einer Brandzerstörung lassen sich sehr wahrscheinlich mit dem Bataveraufstand verbinden, dem das Gebäude zusammen mit dem Lager zum Opfer fiel. Nach der Katastrophe wurde der Bau wiedererrichtet. Neben seiner Funktion als militärische fabrica, in der den Funden zufolge Bronze umgeschmolzen wurde, diente der Bau wahrscheinlich auch als Magazin. An der Konradschule ist das mindestens 57 m breite oder lange Forum gefunden worden. Vom 2. Jh. ab lassen sich nur noch wenige Baubefunde nachweisen.

Körperpflege und Badekultur waren wesentliche Elemente römischen Lebens und in den Provinzen geradezu konstituierende Elemente römischer Kultur. Bäder waren daher selbstverständliche Bestandteile der Legionslager und durften auch in den Zivilsiedlungen nicht fehlen. Die Thermen der canabae legionis von Novaesium lagen allem Anschein nach im Gebiet zwischen Nordkanal und "Marienhof". Dort wurden entsprechende Fundamente ergraben, die auf eine 68 m lange und über 30 m breite Anlage schließen lassen. Die zur Hälfte freigelegte Apsis maß 10 m in der Breite und 4 m in der Tiefe. Weiterin kamen zwei Kaltwasserbecken (frigidaria) zutage, die 9 m lang und 6 m breit bzw. 4,3 m lang und 2,8 m breit waren. Eine zweite öffentliche Therme könnte zwischen Legionslager und Erft gelegen haben. 1925 wurden in diesem Bereich die Reste eines über 100 m breiten wie langen Gebäudes aufgedeckt. Es war mit Wasserbecken ausgestattet und besaß mehrere Apsiden sowie einen runden Raum. Seine Deutung als Therme ist allerdings nicht sicher. Müller hält auch eine Funktion "als staatliche Herberge für durchreisende hohe Beamte und Offiziere" für möglich.

Literatur:

  • G. Müller, Legionslager und Zivilsiedlung, in: Novaesium - Neuss zur Römerzeit, Schriftenreihe der Volkshochschule Neuss, Heft 4 (Neuss 1989) 55 f.
  • Ders., Die militärischen Anlagen und die Siedlungen von Novaesium, in: H. Chantraine u.a., Das römische Neuss (Stuttgart 1984) 81-86.
  • S. Sauer, Ein fabricia-Bau in den Neusser canabae legionis, Archäologie im Rheinland 1995 (1996) 86 f.


[ 1 ] Zur Siedlungsform der canabae legionis allgeimein s. Th. Fischer in: ders. (Hrsg.), Die römischen Provinzen. Eine Einführung in ihre Archäologie (Stuttgart 2001) 67. 334 (Lit.)
Seitenanfang