Tabula Peutingeriana (Ende 12. Jh.): Ausschnitt aus dem Segment II
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Castrum Novaesium
 
I. Einleitung IV. Legionen und Auxilien
II. Lager im Meertal (A- F) V. Literatur
III. Lager an der Erftmündung (G-H)    

Die Lager im Meertal

Nach der Niederlage des Statthalters Lollius (16 v. Chr.) wurden von Kaiser Augustus (63 v.Chr.-14 n. Chr.) nicht nur die gallischen Provinzen umorganisiert, sondern auch die erforderlichen Maßnahmen angeordnet, um den vermutlich von Agrippa (63-12 v. Chr.) ausgearbeiteten Plan zu verwirklichen, über die Rheingrenze nach Osten in Richtung Elbe vorzustoßen.

Zur Vorbereitung dieser offensiven Strategie gehörte, wie gesagt, auch die spätestens 16 v. Chr. angeordnete Verlegung eines Truppenkommandos nach Neuss-Gnadental an einen fast allseitig durch natürliche Hindernisse - das sumpfige Meertal, den Rhein und die Erftniederung - geschützten Lagerplatz. Die bis in die Zeit des Caligula (37-42) nachweisbaren Polygonallager, wurden, so T. Bechert, nicht durchgehend von regulären Militäeinheiten als Standlager genutzt. Die hier stationierten Truppen hätten häufig gewechselt, und das Lager wäre zeitweise lediglich von einer Art Stammbesatzung gehalten worden, welche die Versorgung anderer Einheiten sicherstellte.

Die folgenden Beschreibungen geben im wesentlichen noch den Stand der Forschung in den späten 1980er Jahren wieder, die sich hauptsächlich auf die Ergebnisse der Untersuchungen von 1955-1972 stützen. Das betrifft vor allem die Rekonstruktionen der augusteisch-tiberischen Polygonallager, die bei den Grabungen von 1954 bis 1961 dokumentiert wurden. Wegen des umfangreichen Grabungsareals (ca. 16 qkm) und der im Verhältnis dazu sehr knapp bemessenen Zeit für die Untersuchungen (6 1/2 Jahre) mußte man sich bei der Aufnahme der Innenbebauung und der Umwehrungen auf Einzelschnitte beschränken, bei denen zu Anfang auch grabungstaktische Fehler begangen wurden. Zudem überlagern sich die Umwehrungen verschiedener Anlagen streckenweise, wodurch sich zum Teil nur schwer durchschaubare Befundsituationen ergaben, die leicht zu Fehlinterpretationen führen konnten. Vor diesem Hintergrund sind die von G. Müller, dem langjährigen Leiter der zweiten Grabungsperiode, vorgeschlagenen Rekonstruktionen der Lagerumrisse mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Das gilt insbesondere für die Umrisse der Lager C bis F, die in weiten Teilen spekulativ sind. Hinzu kommt noch, daß es Müller nicht mehr vergönnt war, den Gesamtbefund der Lager zu publizieren.

Inzwischen ist die Revision der umfangreichen Grabungsunterlagen, die auch eine Bearbeitung des Nachlasses von Müller mit einschließt, durch M. Gechter und N. Hanel abgeschlossen; deren Ergebnisse sollen "demnächst" im Band 'Die augusteisch-tiberischen Militärlager von Novaesium. Die Befunde, Novaesium X' ausführlich vorgelegt werden. In diesem Zusammenhang werden die Funde und Befunde der Lager sowohl in Hinsicht auf die Umrisse der Anlagen als auch deren Chronologie zumindest teilweise neue Interpretationen erfahren. So gibt Gechter etwa die traditionelle zeitliche Abfolge der Lager A, B und C auf und kommt zu dem Schluß, daß die Anlagen nur zeitweilig aufgelassen und später wiederbesetzt worden wären. Das Lager C wäe zudem "als Vierlegionenlager zu streichen" und stattdessen als "Annexlager augusteischer Zeit zu interpretieren".[ 1 ] Daneben kommt Hanel zu dem Schluß, daß zwar die von Müller erabeitete relativchronologische Abfolge der Lager im wesentlichen weiterhin Bestand habe. Allerdings ließen sich "alle feinchronologischen Datierungsangaben zu den Neusser Lagern - sieht man vom Anfangsdatum ab - anhand des Fundmaterials nicht bestätigen". Folglich seien die von Müller vorgeschlagenen Verknüpfungen der Lagerkomplexe mit historischen Ereignisse nicht mehr haltbar, wobei bestimmte Übereinstimmungen natürlich auch nicht ausgeschlossen werden können.[ 2 ] Aus diesem Grund und da die Untersuchungen, wie gesagt, noch nicht vollständig veröffentlicht sind, werden hier vorerst noch die bisher bekannten Ergebnisse vorgestellt.

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Gesamtplan der militärischen Anlagen Neuss-Gnadenthal. Luftaufnahme
[Voll-Ansicht (43 KB)] [Voll-Ansicht (38 KB)]

Lager A

Vermutliche Ausdehnung des Lagers ADas älteste Militärlager von Novaesium ist wahrscheinlich zwischen 20 und 15 v. Chr errichtet worden. Es gilt als das früheste römische Lager am Rhein. Sein Grundriß war allem Anschein nach trapezoid oder polygonal angelegt, wobei die breite Basisseite zum Rhein und vermutlich auch zum Verlauf des römerzeitlichen Flußverlaufs ausgerichtet war. Im Westen war das Lager durch das Meertal begrenzt. Da die Anlage nur etwa zur Hälfte archäologisch faßbar ist, kann seine ursprüngliche Ausdehnung nur geschätzt werden: Sie wird kaum mehr als 13 bis 14 ha betragen haben. Auf Grund dieser, für eine Legion wohl zu geringen Größe, wird angenommen, daß hier eine vexillatio - ein für besondere Aufgaben aus verschiedenen Truppenkörpern zusammengezogenes Detachement - oder eine auxilia (Hilfstruppe) zeitweise oder auf Dauer untergebracht waren. Die Namen der Einheiten sind allerdings unbekannt.

Die Anlage war von zwei Spitzgräben mir einer Gesamtbreite von 14 m und einem Erdwall oder einer Holz-Erde-Mauer - ähnlich dem späteren Lager G 1 - umgeben, deren schwache Fundamentbettung archäologisch allerdings nicht mehr faßbar ist. Die Soldaten waren, nach Ausweis von Zeltpflöcken, die in einem Lagergraben gefunden wurden, wahrscheinlich in Zelten untergebracht gewesen. An Bauspuren waren, außer Gruben, nur noch Entwässerungsgräben einiger Lagerstraßen erhalten. Nach dem archäologischen Befund zu urteilen, ist das Lager noch vor 10 v. Chr. aufgegeben worden.

Um seine militärischen Ziele durchzusetzen, stattete Augustus seinen Stiefsohn Drusus (83-9 v. Chr.) mit einer ungewöhnlichen Machtfülle aus, und zwar mit dem imperium proconsulare, das heißt er setzte ihn als Oberbefehlshaber mit besonderen Vollmachten über die Statthalter der gallischen Provinzen ein. Fünf Legionen wurden mit ihren Hilfstruppen 13 v.Chr. aus Spanien und Gallien in die Rheinzone verlegt und in 50 Lagern und Kastellen als strategische Aufmarschbasis gegen Germanien untergebracht. Novaesium war eines von diesen. Es auch anzunehmen, daß die von dem wichtigen südfranzösichen Mittelmeerhafen Massilia (Marseille) ausgehende über Lugdunum (Lyon) und Augusta Treverorum (Trier) nach Germanien führende Verbindungs- und Versorgungsstraße zunächst in Novaesium endete, das in seiner Anfangsphase als Basis- und Durchgangslager für die folgenden Germanien-Feldzüge diente. Anhand von Luftbildaufnahmen konnten in den letzten Jahren Abschnitte dieser Fernstraße südöstlich von Neuss unterhalb des Reckbergs ausgemacht werden.

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Lager B (Plan)

Vermutliche Ausdehnung des Lagers BZur Zeit der Germanien-Offensiven des Drusus (12-9 v. Chr.) und seines Nachfolgers Tiberius (9-7 v. Chr.) bestand in Neuss ein vermutlich 45 ha großes Polygonallager - größte Länge um 660 m, größte Breite fast 800 m -, in dem zwei Legionen und ihre Hilfstruppen gelegen haben können. Die Anlage war, wie auch die folgenden, mit seiner breitesten Seite zum Rhein hin ausgerichtet, wobei jedoch diese Partie durch Verlagerungen des Flußlaufs, durch die mittelalterliche Erft und vielleicht auch noch durch den Erftbau abgetragen wurde.

Das Lager weist zwei Bauphasen auf. Als Umwehrung dienten ein 14 m breiter Doppelgraben und ein Erdwall oder eine Holz-Erde-Mauer wie beim Lager A. Auch hier fanden sich hinter den Umfassungsgräben keine Mauerfundamentierungen. Der zunächst als Sohlgraben ausgeschachtete Außengraben ist später, nachdem er auf längeren Strecken eingestürzt war, durch einen Spitzgraben ersetzt worden. Über die Innenorganisation und Innenbebauung des Lagers B weiß man ebenso wenig wie vom Lager A; die Unterkünfte der Soldaten bestanden wahrscheinlich immer noch aus Zelten. Auch aus dieser Phase sind die Namen der stationierten Einheiten unbekannt. Nach Ansicht von Müller, habe die Besatzung das Lager vermutlich im Jahre 9 n.Chr. verlassen. Er vermutet zudem, daß neben der legio XIX auch eine der beiden in der Varusschlacht vernichteten legiones XVII oder XVIII in Novaesium stationiert waren.

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Lager C (Plan)

Vermutliche Ausdehnung des Lagers CVom diesem größten Neusser Lager, das nur kurze Zeit bestanden haben kann, konnten bisher nur das östliche Nebentor und zwei 125 m lange Grabenstrecken der Südecke des Lagers erfaßt werden. Auf Grund der durch die Grabungen untersuchten Flächen muß das Lager C über 80 ha groß gewesen sein. Die Toranlage (B. 7,3 m) war durch einen starken Mittelpfeiler in zwei über 3 m breite Tordurchfahrten unterteilt. Die Umwehrung bestand aus einem fast 6 m breiten Spitzgraben und einer Holz-Erde-Mauer, von der nur die Pfostensetzungen der Torsperre bisher erfaßt worden sind.

Dieses Lager wird von der Forschung allgemein als das Sommerlager in finibus Ubiorum (im Gebiet der Ubier) angesehen, von dem Tacitus (Ann. I 31-37) berichtet. Danach nahm hier zur Zeit von Augustsus' Tod, also im Sommer 14 n. Chr., eine Meuterei der niedergermanischen Legionen ihren Anfang, die einen höheren Sold sowie generell deutliche Verbesserung des Militärdienstes forderten.[ 3 ] Gegebenenfalls wären die Truppen auch bereit gewesen, so Tacitus, dem Caesar Germanicus zur Kaiserwürde zu verhelfen. Germanicus selbst allerdings hatte wenig Ambitionen in dieser Richtung, und es gelang ihm, die Meuterer zum Einhalten zu bewegen, indem er ihren Forderungen entgegenkam. Auf Grund des Berichts des Tacitus kennen wir nun auch erstmals die Namen der in Novaesium zusammengezogenen Legionen: Es waren die vier niedergermansichen legiones I Germanica und XX Valeria victrix aus Köln sowie V Alaudae und XXI rapax aus Xanten. Die legio V ist für Neuss durch den Fund des Namenschildches eines Tribunen (s.u.) auch inschriftlich gesichert.

Von dem Lager konnten die wichtigsten Zentralbauten, das Lagerforum (Marktplatz und Gerichtsstätte) und das praetorium (Wohnhaus des militärischen Lagerkommandanten), fast vollständig ausgegraben werden. Das unter der Autobahn an der Kölner Straße aufgedeckte Lagerforum war nahezu 80 m breit und fast 75 m lang. Es war der kulturelle, militärische und auch räumliche Mittelpunkt des Lagers. Sein axial ausgerichteter Innenhof nahm mit einer Breite von 57 m und einer Länge von 44 m eine Fläche von 2500 qm ein. Den offenen Hof umschlossen an drei Seiten überdachte Umgänge. An die Rückseite des Forumsplatzes schloß sich eine 21,5 m breite dreischiffige Querbasilika (Basilika = Markthalle, Amts- und Gerichtsgebäude) an. Entsprechend den Hallen des Forums handelte es sich auch bei ihr um eine Fachwerkkonstruktion. Das Mittelschiff dieser Säulenhalle hatte eine Breite von 8,5 m. An der Rück- und an den Schmalseiten befanden sich mehrere bis zu 8 m lange Räume. Über deren Funktion läßt sich auf Grund des mangelnden Befundes lediglich spekulieren. Müller vermutet, daß sich in ihnen die Mitglieder von Collegien zu feierlichen Anlässen trafen und auch kultische Handlungen ausübten. Einer der rückwärtigen Räume, neben der Gebäudeachse gelegen, muß, seiner Ansicht nach, das Lagerheiligtum, die aedes, gewesen sein, in dem das Standbild des Kaisers und die Fahnen der Legionen aufgestellt waren. Vor dem Heiligtum war ständig eine Wache aufgezogen. So war es auch ein sicherer Ort für die Truppenkasse und für die Depositen, die vom Sold eingehaltenen Zwangsrücklagen der Soldaten.

Hinter dem Lagerforum befand sich eine über 108 m breite und 122 m lange palastartige Anlage, das praetorium. Es war der Wohnsitz des Legionskommandeurs, wenn nicht sogar des kaiserlichen Oberbefehlshabers. Der Großbau setzte sich aus vier einzelnen Villenkomplexen zusammen, die um einen kleinen zentralen Verbindungshof angeordnet waren. Dieser Innenhof war zumindest an zwei Seiten von Säulengängen umschlossen. In seiner Ostecke stand allem Anschein nach ein nahezu 8 m langes und 6 m breites Podium, das über einen Aufgang betreten werden konnte. Der architektonisch hervorgehobene Haupteingang bildete ein Gegenstück zum gegenüberliegenden rückwärtigen Ausgang von der Principia (Stabsgebäude bzw. Kommandantur). Bei den Einzelgebäuden handelte es sich um nach mediterranen Vorbildern angelegten Peristylvillen mit den charakteristischen, von Säulenhallen umgebenen Innenhöfen. Sie waren zwischen 50 und 70 m lang. Der großzügige Ausbau, so Müller, läßt den hohen Rang des Befehlshabers erahnen und die vielfältigen Aufgaben, die von seinem Haushalt getragen werden mußten. Über die Privatquartiere hinaus waren offizielle Empfangs-, Besprechungs- und Repräsentationsräume erforderlich, die den Empfängen und der Bewirtung von Gesandtschaften dienten. Auch waren hier die Unterkünfte für hochgestellte Gäste sowie auch ein entsprechend großer Wirtschaftsbereich mit Unterkünften für das zahlreiche Dienstpersonal untergebracht. Datierung und Interpretation des 'Palastes' und des Lagers C werden unterstützt durch einen bronzenen Beschlag, der auf dem Boden einer in eine Grube eingelassenen Truhe gefunden wurde: Auf ihm ist der Name eines Militärtribunen (Tribunus militum: Stabsoffizier einer Legion) der legio V. Die Garnison dieser Truppe befand sich in Xanten.

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Lager D (Plan)

Über das deutlich kleinere Lager D ist im Grunde genommen ebenso wenig bekannt, wie über die vorherige Anlage. Unklar ist auch seine Belegungsdauer. Sicher ist nur, daß die Lager D-F in der Zeit von 14 bis 43 n. Chr. bestanden, was annähernd den Regierungsjahren der Kaiser Tiberius (14-37) und Caligula (37-41) entspricht (zur neueren Chronologie der Lager von M. Gechter s.u. Anm. 1). Vom Lager D ist nur der Verlauf seiner Nordostflanke auf eine Strecke von über 130 m von der Toranlage am Nordkanal bis zur Südecke der Lagerumwehrung bekannt, ein Bereich, der beim 'Standartlager' der rententura (Hinterlager) entspricht. Da die praetentura, das Vorderlager, wahrscheinlich im Mittelalter durch die Flußbettwanderung von Rhein und Erft sowie durch die Arbeiten am Nordkanal abgetragen worden ist, kann die Gesamtfläche des Kastells heute nur geschätzt werden. Vorausgesetzt, die Anlage wurde 'nach Vorschrift' gebaut, besaß sie vermutlich eine Länge von 180 bis 200 m, eine Breite von 140 bis 180 m und überdeckte damit eine Fläche von 2,5 bis 3,5 ha.

Die Umwehrung bestand aus zwei insgesamt fast 11 m breiten Spitzgräben und einer 3 m starken Holz-Erde-Mauer. In einer jüngeren Bauphase ist der fast verfüllte Außengraben durch einen schmalen Sohlgraben ersetzt worden. Die Beschaffenheit des Osttores ist nicht bekannt, da neben dem inneren Umfassungsgraben auch die Fundamentgräben der Wehrmauer dort auskeilten. In Lagern dieser Größenordnung waren in der Regel eine Kohorten mit 500 Soldaten (cohors quingenaria), eine Kohorte mit 1000 Soldaten (cohors milliaria) oder ein Reiterregimant von 500 Mann (ala quingenaria) untergebracht.

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Lager E (Plan)

Das frühtiberische Lager E war das letzte der großen Lager. Von ihm konnte nur die östliche Front untersucht werden. Es muß mindestens sechs Ecken gehabt haben, einschließlich eines stark einziehenden Grabenabschnittes an der heutigen Konradschule. Der eigenartige, eingezogene Winkel an der Süd-Front des Lagers, dessen Ursache unklar bleibt, ist von den nachfolgenden Lagern übernommen worden. Über die Größe des wahrscheinlich nur kurze Zeit genutzten Kastells kann nur gemutmaßt werden, da über den Verlauf seiner Süd-West-Flanke keine Hinweise mehr vorliegen. Müller erwägt eine Ausdehnung des Lagergebiets von über 40 ha. Es war umgeben von einem 5 m breiten Spitzgraben und einer oberflächlich aufgebauten Holz-Erde-Mauer - wie bei den Lagern A und B.

Zu dem Kastell gehörte wahrscheinlich auch ein über 58 m langer und 53 m breiter Baukomplex, das ein Magazinbau vom 'Hoftyp' oder ein Wirtschaftsgebäude vom 'Fabricatyp' gewesen sein kann. An drei Seiten umschlossen eine bis zwei Reihen von Kammern einen 32 m langen und 22 m langen Innenhof. In seiner Längsachse konnte eine 14 m lange und 7 m breite Substruktion aufgedeckt werden, deren Konstruktionsmerkmale denen von horrea (Speicherbauten) entsprechen. Nach Müller könnte es sich bei dem erhöhten Podium um einen Getreidespeicher handeln, vielleicht aber auch um die Plattform eines Wasserbeckens, die sich oft in Höhe von Wirtschaftsbauten finden.

Das Lager wurde vermutlich 17 n.Chr. aufgegeben, als Tiberius die Eroberungspolitik beendete und den Rückzug der Truppen anordnete.[ 4 ] Trotz Einsatzes großer militärischer Machtmittel sind dauerhafte Erfolge in Germanien ausgeblieben. Mit der nunmehr linearen Sicherung der Rheingrenze begann die Einrichtung des niedergermanischen Limes und der Ausbau von Garnisonen zu ständigen Truppenstandorten.

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Lager F (Plan)

Die Änderung der militärischen Konzeption und hatte auch für Novaesium Folgen. Um 35 wurde das Doppellager in Köln aufgelöst und die Legionen neu verteilt: Während die legio I nach Bonn umzog, kam die die legio XX Valeria victrix nach Neuss und errichtete dort das Lager F. Damit wurde Novaesium Garnison und für acht Jahrzehnte Standort einer Legion und zudem verschiedener Auxiliareinheiten, von denen die ala Parthorum veterena und cohors III Lusitanorum durch Funde (Grabstein des Soldaten Tiberius Iulius Pancuius der cohors Lusitanorum, Neuss, Clemens-Sels-Museum; Silberring mit Widmungsinschrift für die Dekurionen der ala Parthorum veterana, Düsseldorf, Stadtmuseum) namentlich bekannt sind.

Das Lager F nahm, bei verkürzter Südwestfront, etwa die gleiche Fläche wie das Lager E ein. Die retentura war aber bedeutend kleiner. Das Kastell erfuhr mehrere Umbauten, wodurch die Lagerflächen zwischen 22 und 26 ha variierten. Die mehrfach erneuerten Lagerumwehrungen der fünf bis sechs Lagerperioden (F1a-c, 2a-b, 3) bestanden aus einer 2,5 bis 3 m breiten Holz-Erde-Mauer und bis zu 6 m breiten Spitzgräben. In die Mauer waren in Abständen um 80 m Zwischentürme eingebaut. Die Zurücknahme der westlichen Lagerflanken wurde in etwa ausgeglichen durch ein Vorverlegen der östlichen Lagerfront. Das durch einen Annex (Anbau) erweiterte Lager F3 wurde, einem Münzfund aus dem Umfassungsgraben zufolge, nach 37/41 n. Chr. aufgelassen, und die Umwehrung wurde planiert. Die legio XX hat demnach bis zu ihrem Abmarsch nach Britannien 43 n. Chr. im Lager F gelegen.[ 5 ]

Spuren der augusteisch-tiberischen canabae legionis (Zivilsiedlung um ein Legionslager) sind bislang nur unter und nahe dem Lager G (Koenenlager) gefunden worden: Es handelt sich um Kastengruben, Entwässerungsgräben, Sandwege und Bewehrungen oder Zäune aus Spalthölzern. Die Unterkünfte scheinen in Leichtbauweise erstellte Baracken gewesen zu sein, vielleicht aber auch nur Zelte.

Dort und an zwei tiberischen Straßenzügen sind einige wenige zeitgleiche Brandgräber entdeckt worden, wodurch die Lage der frühen Gräberfelder angedeutet wird. Aus dem Gräberfeld am Galgenweg stammt ein Grabstein, der von einem Soldaten einer Ubierin namens Louba gesetzt worden ist.

Verweis Wasserversorgung der Lager

[ 1 ] M. Gechter, Die Militärgeschichte am Niederrhein von Caesar bis Tiberius - eine Skizze, in: Th. Grünewald - S. Seibel (Hrsg.), Kontinuität und Diskontinuität. Die Germania Inferior am Beginn und am Ende der römischen Herrschaft, Kolloquium Nijmegen 2001, Reallexikon der germanischen Altertumskunde Erg.-Bd. 35 (Berlin 2003) 147-159, Zitate S. 152 Anm. 20 und S. 156 Anm. 30; nach der von ihm erarbeiteten Chronologie wurde das Lager A1 nach dem Ende des ersten Germanien-Feldzuges (7 v.Chr. bis ca. 1 n.Chr.) von dem Lager B1 ersetzt. Nach der Niederschlagung des Germanen-Aufstandes 4/5 n. Chr. durch Tiberius wurde diese Anlage aufgegeben, und die römischen Truppen bezogen ein verkleinertes Lager (A2). In Folge der Varusniederlage im Jahre 9 wurde in Neuss wieder ein größeres Truppenkontingent (Lager B2) untergebracht. Während der Feldzüge 14-16 unter Tiberius lag in Neuss nur eine kleine Einheit in Lager D, und in den Jahren zwischen ca. 24 und 43 waren in dem größeren Lager E wieder zwei Legionen stationiert.
[ 2 ] N. Hanel, Zur Datierung der frühkaiserzeitlichen Militärlager von Novaesium (Neuss), in: Ph. Freeman (Hrsg.), Limes XVIII, Proceedings of the XVIIIth International Congress of Roman Frontier Studies held in Amman, Jordan (September 2000), BAR international series 1084 (Oxford 2002) 497 ff.
[ 3 ] Gegen die Datierung des Lagers in den Sommer des Jahres 14 n.Chr. spricht sich, wie gesagt, aufgrund mangelnder geschlossener Fundkomplexe Hanel a.O. 498 aus, womit auch die Verbindung mit dem bei Tacitus genannten Lager aufgegeben werden müßte.
[ 4 ] Zur Problematik dieser jahrgenauen Datierung s. ebenda 498.
[ 5 ] Zu den Lagerphasen zuletzt ebenda 498 f.; nach Hanel sei auch eine derart präzise Datierung durch den genannten Münzfund nicht zu stützen.
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