Novaesium, alias Neuss

WZ Newsline, 6. Juli 2010

Der Legionär auf dem Laufband

Niklas Frielingsdorf

Untersuchung: Sascha Severin simuliert einen 15-Kilometer-Marsch in der Ausrüstung eines römischen Soldaten.

Sascha Severin
Atemgasanalyse auf dem Laufband: Sascha Severin. (Foto: Salzburg)

Seine Augen schauen unter dem goldenen Helm hervor. Der Blick ist konzentriert geradeaus gerichtet. Trotz der zügigen Schritte haben die Hände den geschulterten Wurfspeer fest im Griff. Auf dem Rücken trägt der 1,90Meter große Mann einen großen Schild und den Beutel mit Marschgepäck. Seine immer schnelleren Schritte lassen Kettenhemd, Waffengürtel und Kurzschwert klirren. Dann, nach einigen Minuten Trab, wird der Probant wieder langsamer, dann kommt er durchgeschwitzt zum Stehen.

Die Ausrüstung eines Legionärs wiegt 30 Kilogramm

Der Mann, der in der 30 Kilogramm schweren Ausrüstung eines römischen Legionärs steckt, ist Sascha Severin. Er hat gerade einen simulierten 15-Kilometer-Marsch auf dem Laufband absolviert. „Mich hat immer schon interessiert, was die Legionäre bei ihren langen Märschen körperlich leisten und wie sie sich dafür ernähren mussten“, sagt der Mitarbeiter des städtischen Presseamts, der zudem Sportwissenschaftler ist.

Mit Carl Pause, dem Historiker vom Clemes-Sels-Museum, entstand die Idee, dies sportwissenschaftlich zu untersuchen und das Ergebnis ab September in der Museumsausstellung „Grenzenlose Gaumenfreuden – Römische Küche in einer germanischen Provinz“ zu präsentieren. „Um möglichst authentische Voraussetzungen zu schaffen, haben wir originalgetreue Nachbildungen der Legionärsausrüstung zusammengestellt“, sagt Pause.

Mit einer modernen leistungsdiagnostischen Methode, der Atemgasanalyse, wurde Sascha Severin bei seinem Weg auf dem Laufband von Sportwissenschaftlern der Dormagener Firma Leistungdiagnostik.de untersucht. Alle paar Minuten musste der Teilzeit-Legionär dazu 30 Sekunden durch einen speziellen Mundaufsatz atmen.

Die Geschwindigkeit des Laufbandes steigt während der Untersuchung von vier Kilometern pro Stunde auf 11km/h an. „So sehen wir, wie sich der Körper auf die stetig steigende Belastung einstellt und wieviel Kalorien verbrannt werden“, erklärt Testleiterin Tina Heinrich. Ein Monitor zeigt exakt Sauerstoffaufnahme, Pulsfrequenz und Kalorienverbrauch an.

Nach etwa 20 Minuten ist die Marsch-Simulation beendet, die Untersuchung abgeschlossen. Sascha Severin legt mit wackligen Beinen die Ausrüstung ab: „Ich hätte nie gedacht, dass das so anstrengend ist. Das Tempo von elf Kilometern pro Stunde hätte ich höchstens noch zwei Minuten durchgehalten, obwohl ich nicht einmal eine Minute gelaufen bin.“ Auch die unbequeme, unhandliche und schwere Ausrüstung sei nicht gerade leistungsfördernd gewesen.

Auf dem Marsch wurden bis zu 14000 Kalorien verbraucht.

Das Untersuchungsergebnis verwundert Severin kaum: Bei einem normal zügigen Marschtempo von sieben bis acht Kilometern pro Stunde verbrauchten die Soldaten demnach stündlich etwa 800 Kalorien. „Um das leisten zu können, mussten sie viele Kohlehydrate zu sich nehmen“, sagt Tina Heinrich. Zur Erinnerung: Der Kaloreinverbrauch liegt heute täglich bei etwa 2000 Kalorien. „Die Legionäre konnten bei langen Märschen mit 8000 bis 14000 Kalorien schon Dimensionen von Radfahrern bei der Tour de France überbieten“, sagt Severin, der selbst einmal professioneller Bahnradfahrer war.

[ Fenster schließen ]