Novaesium, alias Neuss

NGZ-Online, 22. November 2008

Ein R(h)einfall mit Folgen

Kateline Bliß fiel im Sporthafen ins Wasser und kam mit einer römischen Scherbe wieder heraus
Sascha Wichmann

Dass dort, wo heute Sportboote, Kanus und andere Wasserfahrzeuge einträchtig nebeneinander dümpeln, vor 2000 Jahren römische Handelsschiffe angelegt haben könnten, ist vielen Neusser Bürgern unbekannt. Der Zufallsfund, den eine neun Jahre alte Schülerin im Sommer machte, hat allerdings neue Überlegungen zum einstigen römischen Hafen ausgelöst.

„Ich bin einfach ausgerutscht und ins Wasser gefallen. Da habe ich gesehen, dass neben mir etwas im Wasser lag“, erinnert sich Kateline Bliß an jenen Tag, an dem sie die etwa zwanzig Zentimeter große Scherbe fand, die sie jetzt stolz in der Hand hält. Im Rahmen einer Fahrradtour, organisiert vom ADFC und Geschwister-Scholl-Haus hatten die acht jugendlichen Teilnehmer Station am Rhein gemacht, um sich von der Strecke zu erholen.

Kateline Bliss und Carl Pause
Kateline Bliß fand bei einem unfreiwilligen Bad im Sporthafen eine Scherbe aus römischer Zeit, die Dr. Carl Pause nun für das Museum inventarisiert.
Foto: W. Woitschützke

„Die Kinder sind natürlich gleich zum Wasser gelaufen und haben dort gespielt“, sagt Judith Darteh, Jugend-Betreuerin des ADFC Teams. Als Kateline schließlich mit der merkwürdigen Randscherbe aus dem Wasser stieg, erinnerten sich einige Teilnehmer an die Geschichten, die sich noch heute rund um das Neusser Legionslager ranken.

Dass tatsächlich ein Bezug zur römischen Epoche besteht, bestätigte ein Besuch im Clemens-Sels Museum, wo Archäologe Dr. Carl Pause das Fundstück in Augenschein nahm und nun inventarisieren wird. „Das ist ein ganz besonderer Fund“, so der Experte im Gespräch mit der NGZ, „die bisher im Bereich des Sporthafens einzigartige Scherbe ist wahrscheinlich Teil eines ‚doliums‘, eines antiken Mehrzweckbehälter, und könnte uns einen wichtigen Hinweis auf die Existenz eines römischen Hafens in unmittelbarer Nähe des Lagers liefern“, so der Archäologe weiter. Spannend ist das Stück vor allem durch eine Tatsache: „Die Bruchkanten sind nicht abgerundet, was beweist, dass das Stück im Laufe der Jahrtausende nicht weit bewegt worden sein dürfte, also vielleicht noch an der Stelle lag, wo es einst versenkt wurde“, erklärt der Fachmann.

Wann genau das Gefäß zerbrach und – vielleicht von einem Schiff, das vor dem Legionslager ankerte – ins Wasser geworfen wurde, interessiert auch die junge Finderin. Dr. Carl Pause hält sich diesbezüglich allerdings mit einer genauen Datierung zurück: „Das Stück stammt aus der Zeit zwischen dem ersten bis dritten Jahrhundert. So genau ist das leider nicht zu bestimmen.“ Spannend ist der Fund auch für Judith Darteh, die bereits über die Einrichtung einer Geschichts- und Kulturroute nachdenkt – und dazu bereits erste Kontakte mit dem Archäologen aufgenommen hat.

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