Novaesium, alias Neuss

NGZ-Online, 11. Juli 2007

Ein einziger Mischmasch

Sascha Wichmann

Nordrhein-Westfalen ist das am dichtesten besiedelte Bundesland Deutschlands. Menschen aus unterschiedlichen Nationen und Kulturen sind hier zu Gast oder haben gar eine neue Heimat gefunden. Das war vor über zweitausend Jahren nicht anders, als sowohl das Rheinland, der Niederrhein aber auch die nahen niederländischen Grenzgebiete als stark frequentierte Durchgangs- und Siedelzonen galten.

Einen Eindruck der damaligen Verhältnisse, die auch die Entwicklung der Stadt und des Kreises Neuss nachhaltig beeinflussten, vermittelt nun das Rheinische Landesmuseum Bonn mit der Ausstellung „Krieg und Frieden, Kelten, Römer und Germanen“.

Vitrine mit Neusser Exponaten
Die Bonner Ausstellung zeigt auch Funde aus Neuss: Grabbeigaben einer römischen Bestattung.
Foto: S. Taubmann /Rheinisches LandesMuseum Bonn

„Insgesamt haben die Vorbereitungen fast zwei Jahre in Anspruch genommen. Es dauert immer eine Zeit, bis alle Verhandlungen um auswärtige Leihgaben abgeschlossen und die Fundstücke tatsächlich hier im Museum versammelt sind“, erzählt Ulrike Theisen, Volontärin im Landesmuseum. In einer wissenschaftlichen Arbeitsgruppe unter der Leitung des Kuratoren Dr. Michael Schmauder erarbeitete sie das Konzept für die nun eröffnete Ausstellung, die unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Horst Köhler steht.

Eine der wichtigsten Absichten der Organisatoren ist es, mit alten Klischees aufzuräumen und dem Besucher einen Einblick in das tatsächliche Leben an Rhein und Maas um 50 v. Chr. zu ermöglichen. „Wir wollen dazu beitragen, das Bild des fellbeschürzten, die Keule schwingenden Germanen ein für alle Mal vergessen zu machen“, so Theisen. Auch die von Cäsar vorgenommene,strikte ethnologische Trennung von Galliern und den benachbart wohnenden „nicht zu zivilem Leben bekehrbaren“ Germanen soll schon bald der Vergangenheit angehören. „Gerade in unserem Bereich ist ein Auseinanderhalten der keltischen und germanischen Kultur nahezu unmöglich“, so Theisen über die vielen Wissenslücken, die die Archäologie heute vor große Probleme stellen.

Den Einstieg in die Ausstellung bildet eine imposante graphische Animation vom Ausgreifen Cäsars auf das damalige Gallien. Der gallische Krieg, den der römische Feldherr im Jahre 57 v. Chr. unter fadenscheinigen Argumenten vom Zaun brach, vernichtete nicht nur ganze Völkerschaften wie die keltischen Eburonen, sondern beeinflusste auch die seit Jahrhunderten bestehenden kulturellen Besonderheiten der Kelten und Germanen. „Dem gallischen Krieg fielen etwa 600 000 Menschen zum Opfer. Statistisch kam jeder zehnte Bewohner Galliens bei den Kampfhandlungen ums Leben“, so Theisen über eine aus den Fugen geratene Welt.

Dass aber auf eine Zeit des Schreckens immer auch eine Zeit des Friedens und der Stabilisierung folgt, beweisen die ab dem ersten Jahrhundert nach Christus errichteten zivilen Siedlungen, die selbstverständlich römisch geprägt waren und wie Pilze aus dem Boden schossen. Im Schutz großer Militäranlagen wie dem Legionslager Novaesium wuchs nach den Wirren des Krieges eine ganz neue Gesellschaft heran. In ihr vermischten sich keltische, germanische und natürlich auch römische Eigenheiten. „Was der nun federführenden römischen Obrigkeit gefiel, wurde in die neue Gesellschaft integriert und bestand fort“, sagt Ulrike Theisen und spricht damit vor allem die handwerklichen und religiösen Eigenheiten der durch Rom „befriedeten“ Völker an.

Auch archäologisch lässt sich ein intensiver Austausch an Ideen und Kenntnissen nachweisen. Gräberfelder wie das von Tönisvorst, das neben den dort bestatteten Personen oft auch zahlreiche Beigaben wie Keramik, Schmuck und Waffen aufweist, zeugen noch heute vom Wohlstand keltischer und germanischer Fürsten, die nicht zuletzt am neuen und von Rom geförderten Wohlstand teilhatten. So findet sich in einem ausgestellten Grabinventar nicht nur das typisch germanische Trinkhorn, sondern auch ein mehrere Liter fassendes und kunstvoll aus Bronze gegossenes Weinmischgefäß.

Auch Neuss ist durch eine Reihe von sechs Grabinventaren in der Ausstellung vertreten. „Für uns sind die hier präsentierten Urnengräber aus Neuss von ganz besonderer Bedeutung, da sie ausschließlich typisch römische Beigaben enthalten und sehr wahrscheinlich dem Neusser Legionslager und den dort stationierten Legionären zuzuordnen sind“, erklärt die Archäologin.

Umso erstaunlicher ist es, dass sich unter den Beigaben lediglich Keramik, Glas und Schmuck findet. Doch im Gegensatz zu germanischen und keltischen Gräbern macht gerade das den römischen Charakter aus. Und welcher Veteran nach insgesamt 25 oft lebensgefährlichen Dienstjahren in den wohlverdienten Ruhestand entlassen wurde, der war den Umgang mit Schwert und Lanze wahrscheinlich ohnehin längst leid.

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