Novaesium, alias Neuss

NGZ-Online, 17. Oktober 2006

Heidnische Bräuche hielten sich lange

Mit einem Sensationsfund, einem spätrömischen Steinsarkophag aus dem vierten Jahrhundert, hat Rommerskirchen vor wenigen Monaten Archäologen auf sich aufmerksam gemacht. Ein Grund für die Grevenbroicher Geschichtsfreunde um Dr. Friedrich Schmitz, sich nun aus erster Hand von den Ausgrabungen berichten zu lassen.

Eingeladen hatten sie die Archäologin Martha Aeissen, die Einzelheiten über das von ihr entdeckte merowingische Gräberfeld und damit über einen wichtiges Puzzleteil der regionalen Siedlungsgeschichte berichtete.

Gerade dank der guten Lösböden weist der Niederrhein eine fast kontinuierliche Besiedlung auf. Dementsprechend viele Funde gibt es. Im Areal des frühmittelalterlichen Friedhofs, über den Aeissen sprach, fanden sich neben den Grundmauern einer römischen Villa auch die Reste eines jungsteinzeitlichen Langhauses, das über Verfärbungen im Boden lokalisiert werden konnte.

Auch die eigentlichen Gräber sind vielfach nur noch als Bodenstörungen und Verfärbungen zu erkennen, so die Archäologin. "Im Bereich unserer Ausgrabungen haben wir bislang etwa 260 Gräber lokalisiert und vermuten etwa weitere 80 Gräber in den noch nicht untersuchten Bereichen", so Aeissen.

Gefunden wurden hier vor allem Waffen und Schmuck, aber auch Haushaltsgeräte und Werkzeuge, die man den Toten noch sehr lange mit ins Grab gab. "Die Christianisierung war lange Zeit eine Sache der fränkischen Oberschicht, so dass es die heidnische Beigabensitte noch bis ins achte Jahrhundert neben christlichen Bestattungsriten gibt", erklärte Aeissen den zahlreichen interessierten Besuchern.

Für die Archäologen ein Glück, lassen sich so doch die in Reihen geordneten Gräber über die unterschiedlichen Schmuck- und Verzierungsmoden datieren. Aeissen und ihr Grabungsteam um den Archäologen Zafer Görür können so schließen, dass der Friedhof bei Rommerskirchen zwischen dem fünften und siebten Jahrhundert genutzt wurde, die Anzahl der Gräber wiederum ermöglicht Rückschlüsse auf die Größe der Siedlung, die mit sieben bislang noch nicht lokalisierten Hofstellen angesetzt werden muss.

"Für uns als Geschichtsverein, der sich ja mehr mit den schriftlichen Zeugnissen der Vergangenheit befasst, ist so ein Vortrag natürlich absolut spannend", erklärte Dr. Schmitz. "Die Ergebnisse von Frau Aeissen fügen sich sehr gut ins Bild , das die Forschung, zuletzt Professor Kirchhoff mit seiner Stadtgeschichte, bereits erarbeitet hat."

Dass der Friedhof im siebten Jahrhundert aufgegeben wurde, könnte auch mit der Gründung von St. Peter, der Eigenkirche eines fränkischen Herrn zu tun haben. Unter der Kirche konnten bereits 44 fränkische Gräber freigelegt werden. "Ob hier ein Zusammenhang besteht, müssen weitere Forschungen zeigen, der Anfang aber ist gemacht", so Schmitz.

Die nächste Veranstaltung der Grevenbroicher Geschichtsfreunde findet am 26. Oktober um 20 Uhr im Alten Schloss statt, wenn Ulrike Krüner zum Thema „Brot auf den Tisch! Thorner Ziegelbäcker um 1900 in Wickrath, Jüchen und Grevenbroich“ spricht.

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