Novaesium, alias Neuss

NGZ-Online, 22. Dezember 2005

Größtes Relief der Geo-Geschichte

Demnächst im Rheinischen Landesmuseum Bonn

Wiljo Piel

Im Tagebau Garzweiler entsteht derzeit ein in seiner Größe einmaliger Lackabzug . Auf einer Fläche von 96 Quadratmetern bildet er die Erdschichten aus der Zeit des Neandertalers nach. Das Riesen-Relief wird zu einem der Schmuckstücke der Ausstellung "Roots - Wurzeln der Menschheit" in Bonn.

Lackabzug
Ulrich Lieven, Lackabzugs-Experte bei RWE Power, mit einem von insgesamt 96 Reliefs , die im Rheinischen Landesmuseum Bonn demnächst zu einer gigantischen Platte zusammengefügt werden.
NGZ-Foto: M. Reuter

"Das ist eine echte Herausforderung für uns", meint Ulrich Lieven, Experte für Lackabzüge bei RWE Power, und blickt auf die etwa acht Meter hohe Wand an der Tagebaukante. Deren Profil soll ab Juli im Rheinischen Landesmuseum ausgestellt werden - als bisher weltweit größtes Projekt seiner Art.

Was die Arbeit für Lieven und seinen Kollegen Jürgen Bläser zu etwas Besonderem macht: Normalerweise sind ihre Abzüge nicht größer als 80 mal 60 Zentimeter, kein Vergleich zu einer geradezu gigantischen Fläche von 96 Quadratmetern. Dennoch geben sich die beiden Experten zuversichtlich: "Bis März werden wir fertig sein."

Seit November sind Lieven und Bläser am Werk. Sie haben die acht Meter hohe Erdwand auf einer Breite von zwölf Metern mit einem Speziallack übergossen, in dem sich lockerer Sand und Erde festsetzt. Nach dem Trocknen wird der Schnitt durch die Erdschichten, der zusätzlich mit feiner Gaze hinterlegt ist, auf einer großen Holzplatte befestigt. Insgesamt werden 96 Platten angefertigt, die Anfang Mai nach Bonn transportiert und dort zusammengefügt werden - zum bisher größten Lackprofil in der Geschichte der Geologie.

"Roots - Wurzeln der Menschheit"
Mit der Ausstellung "Roots - Wurzeln der Menschheit" feiert das Rheinische Landesmuseum den 150. Jahrestag der Entdeckung des berühmten Neandertaler-Skelettes in der Feldhofer Grotte bei Düsseldorf.
Derzeit sind über 60 Originale von Vor- und Frühmenschen aus Afrika, Asien und Europa zugesagt - damit führt "Roots" fast doppelt so viele Funde wie die 1984 in New York gezeigte, weltberühmte "Ancestors"-Ausstellung zu einem einzigartigen "Familientreffen" zusammen. Die Ausstellung wird am 7. Juli eröffnet und bis zum 19. November zu sehen sein.

 
Ein solches Projekt begeistert natürlich die Archäologen: "Wir zeigen damit ein Bodenprofil, auf dem der Neandertaler vor rund 120 000 Jahren in unseren Breiten wandelte", erklärte Dr. Udo Geilenbrügge, Leiter der Außenstelle Titz des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege. Das gigantische Profil ist so etwas wie eine Zeitreise auf einen Blick. Die einzelnen Schichten, unterschiedlich gefärbt, dokumentieren den Verlauf der Jahrtausende.

Unter dem rötlich-dunkelbraunen Ackerboden der Gegenwart sind auf dem "Tortenschnitt" durch die rheinische Erde auch vier Meter mächtige Löss-Schichten der letzten Eiszeit zu sehen. Darunter hebt sich etwa sechs Meter unter der heutigen Erdoberfläche auffällig eine dunkelbraune, rund 80 Zentimeter dicke Erdschicht aus einer Zwischenwarmzeit ab, in der die Neandertaler gelebt haben.

"Die Größe macht dieses Profil zu einem herausragenden Anschauungsobjekt und lässt die zeitlichen Dimensionen erahnen, in denen sich die menschliche Evolution abspielte", meint der Archäologe Dr. Michael Schmauder. Ob sich der Neandertaler seinerzeit tatsächlich im heutigen Elsbachtal aufhielt, konnte indes nicht nachgewiesen werden: "Es könnte ein möglicher Siedlungsplatz gewesen sein - es wurden aber keine Funde ausgegraben, die darauf hindeuten", so Schmauder weiter.

Im Tagebau Inden hingegen wurden bereits Faustkeile entdeckt, die aus der Zeit vor 120 000 Jahren stammen. "Wir hoffen darauf, dass wird dort etwas finden werden, das auf einen Siedlungsschwerpunkt hindeutet", betont der Wissenschaftler. Für Ulrich Lieven und Jürgen Bläser geht indes die Arbeit an der Tagebaukante weiter - unter für sie ungewöhnlichen Witterungsbedingungen.

"Normalerweise ist das eine Arbeit, die wir im Sommer machen, wenn es warm und das Wetter beständig ist", betont Lieven. Dass das Profil während der Winterzeit abgenommen wird, hat seinen Grund: Zeitdruck. Denn erst im vergangenen Monat waren die Bodendenkmalpfleger aus Bonn mit ihrer Anfrage an RWE Power herangetreten.

Um die Abbaukante vor dem Regen zu schützen, wurde sie bereits mit einem großen, aus Stahlgerüsten zusammengeschraubten Zelt geschützt. "Jetzt hoffen wir darauf, dass der Frost uns verschont", meinen die Lackprofil-Experten. Denn bei Temperaturen unter Null klappt’s nicht mit dem Abdruck. Weiße Weihnacht? Ulrich Lieven und Jürgen Bläser mögen erst gar nicht dran denken.

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