Novaesium, alias Neuss

NGZ-Online, 23. Juli 2003

Leben rund um das Militärlager

Römische Abteilung wird wiedereröffnet

Helga Bittner

"Wir könnten auch die dreifache Fläche füllen, ohne dass es langweilig wird." ,Aus dem Vollen schöpfen' ist dabei ein Begriff, der noch untertrieben wirkt - angesichts dessen, was das Depot des Clemens-Sels-Museum eigentlich hergeben könnte.

Vielleicht gerade mal ein Prozent der Sammlung, so schätzt Dr. Carl Pause, hat jetzt einen neuen Platz gefunden: in einer neuen Dauerausstellung, die etwa 330 Exponate der Römischen Abteilung präsentiert. 20 Jahre lang hat sich an der Schau der quantitativ größten Abteilung des Museums nichts getan; die Einstellung des Archäologen Pause, so Museumschefin Dr. Christiane Zangs, bescherte der Römischen Abteilung dann einen "enormen Aufschwung", trieb sowohl die Erforschung der Sammlung voran wie auch den Willen, die alte Dauerausstellung den neuen Erkenntnissen gemäß zu konzeptionieren.

So wird jetzt im Kellergeschoss des Deilmann-Baus die römische Geschichte der Stadt zwar nicht neu erfunden, aber zumindest so präsentiert, dass sie sinnlich erfahrbar und intellektuell erfassbar ist. Dafür wurde auch "entrümpelt", auf eine Fülle von Krügen, Schalen und ähnliches verzichtet, weil es Pause nicht um die Menge der Fundstücke geht, sondern um die Aussagekraft der Exponate. Nicht unbedingt chronologisch, aber thematisch will der Archäologe die Besucher an die Hand nehmen und durch das "Leben im und um das Koenenlager" führen.

"Bei der alten Schau habe ich die Focussierung vermisst", sagt er, "dabei bietet es sich an, in Neuss den Schwerpunkt auf das römische Militär zu setzen, schließlich ist Neuss einer der ersten römischen Garnisonsstandorte gewesen und älter als Köln." Und das Koenenlager sei schließlich das einzige fast vollständig ausgegrabene Legionslager Europas. Rund 6000 Soldaten lebten einst in Novaesium - und mit ihnen Frauen und Kinder. Mindestens also 12.000 Menschen, sagt Pause, die arbeiteten, aßen, tranken und sich vergnügten, krank oder getötet wurden und begraben werden mussten.

"Aus einem Wust an Funden die richtigen Dinge herausziehen" nennt Pause sein Anliegen, für das er gewissermaßen 15 Pakete geschnürt hat, in denen an Hand weniger, aber sorgsam ausgewählter Exponate Dinge erzählt werden, die schon vor Jahrhunderten nicht unwichtig waren. Wie maßen die Römer die Zeit? Mit einer Sonnenuhr (von Carl Pause als ein Highlight der Ausstellung bezeichnet), die immer von einer zwölf-Stunden-Einteilung des Tages ausging, aber Auf- und Untergang der Sonne als Maßstab setzte, so dass Winter und Sommer unterschiedlich lange Stunden hatte.

Womit haben die Römer geschrieben? Mit einem bronzenen oder beinernen Griffel: Initialen wurden in Tellerböden geritzt, um Verwechselungen in der Lagerküche zu vermeiden, doch Schreiben und Lesen lernte nur richtig, wer sich das finanziell auch leisten konnte. Ein öffentliches Schulsystem gab es nicht.

Was haben sie gegessen? Zum Frühstück kalte Reste vom Vortag, mittags eine Brotzeit und abends eine Hauptmahlzeit - mit Finger oder Löffel und gerne im Liegen. Kelche, Teller und Mörser zeigen, wie der gedeckte Tisch der römischen Soldaten aussah.

Wie sah die Körperpflege der Römer aus? Wie die militärische Ausrüstung? Wie der Handel und Verkehr mit der lokalen Wirtschaft? Wie bestatteten die Römer ihre Toten? Alles Fragen, die Pause auch ohne die Fundstücke beantworten könnte, nur wird das Wissen so viel plastischer vermittelt.

Bei der Präsentation der Exponate hat sich der Archäologe von Nils Kemmerling und Jens Ahrens helfen lassen. Die beiden angehenden Diplom-Designer haben nicht nur die auch in der Schau abzuspielende CD-Rom zum Koenenlager erstellt, sondern auch alte Vitrinen mit neuer Beleuchtung aufgemöbelt und schlichte Stelen entworfen, auf denen etwa militärisches Beiwerk wie Rosetten vom Schienenpanzer mit der lebensgroßen Zeichnung eines römischen Soldaten in vollem Kriegsgerät korrespondiert.

Farbe, Licht und Luft lassen der Ausstellung genug Raum. Und gemessen an den baulichen Bedingungen des Kellergeschosses - der drückenden Kassettendecke, des mächtigen Treppenhauses - wurde zweifellos mit wenig Mitteln das Beste herausgeholt.

Am Obertor, Eröffnung Donnerstag, 18.30 Uhr, Katalog 9,90 Euro.
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