Novaesium, alias Neuss

Frankenpost-Online, 22. Juli 2003

Neues aus Rom: Neuss präsentiert antike Entdeckungen

Neuss (dpa) - Ein kleiner Schröpfkopf aus Bronze als Heilmittel gegen die Unpässlichkeiten des Legionärs-Lebens oder ein hübscher Glas-Anhänger mit dem Bildnis der Göttin Minerva: Sie gehören zu den archäologischen Neuentdeckungen, mit denen vom Wochenende an das Neusser Museum lockt. Rund 450 zum Teil erstmals gezeigte Objekte vom Altarfragment bis zum Infanteriehelm oder zarten Glasbecher belegen in der neu eingerichteten archäologischen Dauerausstellung des Clemens-Sels-Museums die überraschend hohe Bildung des römischen Militärs im «rheinischen» Teil des Imperiums.

Römische Gläser, Neuss, Clemens-Sels-Museum
Ein Trinkglas und einen Einhenkelkrug aus eingefärbtem Glas aus der Zeit 100 bis 300 nach Christus der römischen Kohorte der Legio VI Victrix im Clemens-Sels-Museum in Neuss.

Gern markierten Roms Soldaten ihr tönernes Essgeschirr mit ihrem Namen. «Rund zwei Drittel der Legionäre konnten lesen», interpretiert der Neusser Archäologe Carl Pause am Dienstag seinen überraschenden Befund von den «Soldaten als Kulturträgern». Auf den restlichen Gefäß-Scherben finden sich eingekratzte Merkzeichen. Nur ein antiker «Legastheniker» schrieb das Wort «Classis» («Flotte») mit einem «s» zu wenig auf einen Dachziegel.

Einem germanischen Hilfssoldaten war ein schwarz-tönerner Römertopf wohl zu schlicht: Er ritzte mit seinem Messer einen einfachen Tannenbaum in das bauchige Gefäß - ein Vergleichsstück fand sich erst in der Nähe von Bremen, berichtet Ausgräber Pause. Eine Eisenplatte von der Größe eines Handtellers mit aufgesetzter Ösen-Halterung stellte sich als Rest eines Brustpanzers heraus.

Große Bronzescheiben mit wilden Löwenköpfen waren möglicherweise genau die Feldzeichen, die nach einer Überlieferung des Geschichtsschreibers Tacitus die Neusser Legionäre nach einer verheerenden Niederlage weggeworfen haben. Keiner von ihnen hätte je gedacht, dass ihr ehemaliges Legionslager «elektronisch rekonstruiert» auf CD neu erstehen und nach rund 2000 Jahren Museumsbesucher zum virtuellen Rundgang einläden würde.

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