Novaesium, alias Neuss

NGZ-Online, 18. Juni 2003

Neun Minuten in der Legion

Das Clemens-Sels-Museum hat eine CD-ROM entwickelt

Anna Schnürch

Dass ein Teil des Neusser Grundes und Bodens einst von römischen Legionären bewohnt wurde, ist weithin bekannt. "Sie verlassen das römische Lager Novaesium" springt es dem Autofahrer ins Auge, wenn er auf der Kölner Straße unterwegs ist. Doch was steckt dahinter?

Digitales Lagermodell

Mit einem Mausklick durch das Lager der VI. Legion, die einst das Castrum Novaesium bevölkert hat - eine CD-Rom des Clemens-Sels-Museum macht's möglich.

Wie hat Neuss als Heimat für rund 6000 Soldaten ausgesehen? Wie haben die Menschen vor zwei Jahrtausenden hier gelebt? Diese und andere Fragen, die das antike Neuss betreffen, können sich alle Wissbegierigen nun mit Hilfe der CD-Rom "Das Lager der VI. Legion" selbst beantworten. Die Idee, einen virtuellen Rundgang durch Novaesium und Umgebung anzubieten, stammt von Dr. Christiane Zangs, Leiterin des Clemens-Sels-Museums; die Projektführung übernahm Dr. Carl Pause. "Wir wollten auf den Zug der Euroga aufspringen und brauchten etwas, das wir vorzeigen konnten", erklärt Zangs. Gleichzeitig bot sich dadurch die Möglichkeit, den Wissensdurst der Neusser und vieler anderer auf innovative und anregende Weise zu stillen.

Entstanden ist "etwas durchaus Ungewöhnliches", wie Kulturdezernent Wilfried Kruse stolz betont. Nicht nur Straßen und Gassen des römischen Lagers lassen sich nun spielend begehen, auch über die Lebensweise der Soldaten und ihrer Familien wird der Benutzer informiert, als lebte er mitten unter ihnen. Im Lexikon-ähnlichen Teil des Programms können kleine Texte gelesen, Zitate bekannter Menschen gehört und Abbildungen betrachtet werden. Um das Ganze ein wenig aufzulockern, bestand Zangs auf einem abschließenden Spiel - ein Puzzle, bei dem genaues Hinsehen gefragt ist.

Geschichte per Computer - das klingt sicherlich auch in den Ohren der Jugendlichen weniger uninteressant als "Geschichtsunterricht" oder "Museumsführung". Aber nicht nur für Museumsmuffel und Neugierige, sondern auch für Interessierte, die sich bereits auskennen, hält die CD-Rom spannende neue Einzelheiten bereit. So hat die Technik ins Clemens-Sels-Museum Einzug gehalten, eine für manchen traditionsbewussten Besucher verwerfliche Tatsache. Zangs und Kruse aber sind froh darüber.

"Auch von einem Museum wird heute verlangt, dass es sich dem Fortschritt anpasst", so Zangs. Das Ergebnis des Projektes verwandelt schließlich die zaghafte Freude in überschwängliche Begeisterung: Inhaltlich und auch von der technischen Seite betrachtet muss die CD-Rom als herausragend bezeichnet werden. Ohne tatkräftige Unterstützung von verschiedenen Seiten wäre das Projekt allerdings kaum möglich gewesen. Die provinzialrömischen Archäologen Jens Hock und Dietrich Rotharer entwickelten das vierteilige Programm in zahlreichen arbeitsintensiven Stunden und "mit vielen Zugeständnissen aus Liebe zur Sache", sagt Zangs mit dankbarem Blick.

Die Leistung Rotharers und Hocks beschränkte sich zudem nicht auf die technische Umsetzung von Informationen - es mussten Untersuchungen angestellt werden, um die Gebäude wirklichkeitsgetreu rekonstruieren zu können. Schwierigkeiten blieben nicht aus: "Wir wollten viel modellieren, und das bedeutet eine Unmenge von Daten", sagt Rotharer. Etwa neun Minuten animierten Lagerrundgang mit eigenen Steuermöglichkeiten kann der Benutzer nun erleben, Ställe und Schlafstätten untersuchen, das Lazarett samt Innenhof kennen lernen.

Die schöne Grafik und der milde Ton machen den Spaziergang durch die Vergangenheit zusätzlich angenehm. Zangs, Kruse und der Theiss-Verlag, in dessen Programm die CD-Rom erschienen ist, sind überzeugt davon, dass sich "Das Lager der VI. Legion" zukünftig als Messlatte für Angebote dieser Art etablieren wird. Finanziell griff neben anderen Sponsoren vor allem die Jubiläumsstiftung der Sparkasse dem Clemens-Sels-Museum unter die Arme; ohne dies wäre die Idee keinesfalls realisierbar gewesen. Zangs: "Das Endprodukt ist ein Beleg dafür, dass es sich lohnt, in Projekte wie dieses zu investieren."

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