NGZ-Online, 23. Oktober 2002

Bisher älteste Spuren der Besiedlung entdeckt

St. Stephanus: Wertvolle Funde bei Bauarbeiten

Immer wenn gebaggert, gebaut und gebuddelt wird, erwacht die Neugier der Archäologen - erst recht, wenn es sich um Bauarbeiten an einem denkmalgeschützten Kirchturm handelt. Das galt auch für die junge Archäologin Marion Merse, als die den Auftrag erhielt, die Arbeiten am Turmfundament von St. Stephanus in Lank-Latum zu überwachen. Spektakuläre Funde hatte sie eigentlich nicht erwartet.

St. Stephanus

Aber dann entdeckte sie in etwa 1,30 Meter Tiefe einen Schädel und darunter das dazu gehörende Skelett, fein säuberlich wie in einen Sarg gebettet. Der untere Teil des Skeletts steckte bis zur Hüfte unter dem Fundament des Turmes, und das war die erste Überraschung. Der Verstorbene muss vor dem Turmbau im Jahr 1200 beerdigt worden sein.

Dieser Fund war eine echte Sensation! "Nun hat auch Lank-Latum seinen Ötzi", titelte unsere Zeitung. Die Ursprünge der Lanker Pfarrei gehen bis in die Zeit des Urgroßvaters Karls des Großen, also bis ins siebte Jahrhundert, zurück. Der stolze Turm der Kirche wurde um das Jahr 1200 errichtet. Das romanische Gotteshaus hatte nur ein Drittel der Größe des jetzigen Kirchenschiffes. Und es war um 90 Grad versetzt, hatte also eine exakte Ost-West-Ausrichtung.

Das ist für das Verständnis der weiteren Skelettfunde auf der Ostseite wichtig. Der Eingang zur Kirche war auf der Westseite. Man ging von dort durch den Turm in die Kirche. Eine weitere Untersuchungsstelle lag also zu jener Zeit innerhalb der Kirche. Auch hier fand Marion Merse zwei Skelette, eines fast vollständig vom Kopf bis zu den Knien erhalten. Das mag zunächst verwundern. Doch war es früher üblich, dass Bürger der gehobenen Stände im Kircheninneren bestattet wurden.

Die Geistlichen wurden im Chorraum, mit Blick nach Westen zur Gemeinde hin, beigesetzt, die Laien dagegen im Kirchenschiff mit Blick nach Osten. Auf der linken Schulter der jüngeren Bestattung befand sich etwas ganz Besonderes: ein aus echten Goldfäden fein gewirktes Geflecht in der Form eines Kreuzes. Es hat die Maße von sieben mal fünf Zentimeter und ist kaum mehr als einen Millimeter dünn. Es ist von schwarzem Sediment umgeben, das ursprünglich das Gewebe eines Gewandes gewesen sein könnte. Vermutlich war dieses Kleinod eine kostbare Insignie.

Der Lage dieser Skelettfunde zufolge waren die Bestatteten von weltlichem Stand. Demnach könnte der Träger des Gewandes ein Adliger gewesen sein. In den Schriften von Pastor Wilhelm Jacobs ist vermerkt, dass unter anderen der Lehnsherr oder Eigentümer von Gut Gripswald in Ossum, Adam von Büderich, im Jahr 1520 und sein Sohn, Wilhelm von Büderich, 1553 in der Kirche zu Lank beigesetzt wurden.

Man könnte vermuten, dass es sich bei dem jüngeren der beiden Skelette um die sterblichen Überreste eben jenes Wilhelm von Büderich handelt. Nun gilt es, diese Vermutung durch Altersbestimmungen der gefundenen Materialien zu beweisen oder zu widerlegen.

Für die Geschichte der Kirche sind die Funde auf der Westseite die ältesten bisher bekannten sterblichen Überreste Lanker Bürger und damit die ältesten menschlichen Spuren der Besiedlung von Lank. Die Funde auf der Ostseite schlagen dagegen als wichtige Zeugnisse eine Brücke in das Mittelalter.

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