NGZ-Online, 30. Mai 2001

Spurensuche in der römischen Antike

Ausgrabungen zwischen Kölner Straße und Castellstraße

Carsten Sommerfeld

Deutlich rötlich leuchtet der Boden im Erdloch. "Hier war wohl einmal eine Feuerstelle", lautet das Urteil von Christian Schwabroh. Der Grabungstechniker ist mit etwa einem halben Dutzend Mitarbeitern des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege mit Ausgrabungen zwischen Kölner Straße und Castellstraße befasst. Wo heute das Leben des dritten Jahrtausend in der City brandet, befand sich früher einmal das Lager von 500 römischen Reitern. Und die haben deutliche Spuren hinterlassen.

Grabungsphoto
Nicht alles stammt aus römischer Zeit, worauf das Ausgrabungsteam zwischen der Kölner Straße und der Castellstraße stößt. Doch Handarbeit ist gefragt, um Spuren nicht zu zerstören. Die Grabungen sollen unter anderem klären helfen, wie vor fast 2.000 Jahren die Kasernenbauten im Militärlager angeordnet waren.
NGZ-Fotos (2): M. Reuter

Vorsichtig schabt Günther Richter mit einer Kelle an der Bodenschicht. Ein orange-farbener Schirm schützt vor Sonne, Sonnenmilch war in den vergangenen Tagen ein Muss. Ein leichter Job? "Das warme Wetter der vergangenen Tage ist für unsere Arbeit gar nicht so ideal. Der Boden trocknet aus, wird hart - und dann kann man fast keine Spuren erkennen", erzählt Christian Schwabroh von der Arbeit. Notwendig wurden die Ausgrabungen, da Gabriele und Lothar Pingel an der Stelle des alten Hauses ein dreigeschossiges Wohn- und Geschäftshaus mit eingeschossigem Anbau errichten wollen. Kaisers Drugstore steht als einer der Mieter schon fest. "Bauen kann ich erst, wenn das Amt für Bodendenkmalpflege das Gelände freigegeben hat", erläutert Lothar Pingel.

"Als das Grundstück in den 80er Jahren zum Bodendenkmal erklärt wurde, waren wir uns der Konsequenzen nicht genau bewusst." Nun heißt es erst mal warten. "Eine genaue zeitliche Planung ist nicht möglich. Zunächst hatten wir mit Ende Oktober als Termin für die Fertigstellung gerechnet. Nun schätze ich, dass es Mitte 2002 wird." Für die Bauherren sind die Ausgrabungen auch mit Kosten verbunden, etwa für die Abtragung der obersten Schicht. "Bagger und andere Geräte kosten pro Woche etwa 5.000 Mark." Die Ladenräume, in denen seine Schwiegereltern früher ein Feinkost-Geschäft betrieben und dann ein Blumenladen einzog, stehen leer. An der Kölner Straße zeugt nur ein Schild "Bodendenkmal 505 - Römisches Auxilarcastell" von den Arbeiten hinter dem Haus. "Zunächst wird mit einem Bagger die oberste Schicht abgetragen", erklärt Christian Schwabroh.

Grabungszeichner

In etwa 80 Zentimeter Tiefe stoßen die Archäologen auf römische Schichten, spätestens dann ist Handarbeit gefragt. Schatzsucher sind der Grabungstechniker und seine Kollegen nicht. "Es geht uns in erster Linie nicht um Funde wie Münzen, sondern um Befunde - um die Zusammenhänge. Eine einfache Keramikscherbe kann uns oft viel mehr sagen." Vieles ist längst bekannt, seit Jahrzehnten läuft die Spurensuche: Von "Durnomagus" aus verteidigte das Römische Reich seine Nordgrenze gegen die Germanen. Im ersten nachchristlichen Jahrhundert entstand zunächst ein Militärlager aus Holz, später folgten Steinbauten. "Wir stehen hier auf einer der Durchgangsstraßen, nebenan waren die Kasernenbauten, zwischen dem neuen und dem alten Rathaus sowie unter dem Parkhaus an der Nettergasse Stallungen", so Schwabroh.

Wie die römischen Truppen lebten, verdeutlicht ein Modell im Historischen Rathaus. In der Mitte des viereckigen, mit Mauer und Graben umgebenen Lagers stand das große Verwaltungsgebäude, die Soldaten wohnten in langgestreckten Kasernenbauten mit einer Veranda seitlich - Porticus genannt. Doch war wirklich alles so wie im Modell dargestellt? "Wir wissen nicht, ob diese Bauten wie beim Modell in Nord-Süd-Richtung lagen oder in Ost-West-Richtung", so Schwabroh. "Das versuchen wir bei den Ausgrabungen herauszufinden." Jede Beobachtung wird säuberlich aufgezeichnet und zentimetergenau in Kataster-Karten der Nachwelt erhalten, denn die Spuren gehen beim Hausbau ja unwiederbringlich verloren. Auch Verfärbungen des Erdreichs geben Aufschluss: "Dort ist der Boden leicht grün, da war ein Urinabfluss für die Pferdestallungen."

Interesse haben die Archäologen selbst für das, was sie nicht finden: Schwabroh deutet auf ein schmales, mehrere Meter breites Loch: "Ein Mauer-Aushub. Die Ruinen aus Tuffstein und Basalt waren im Mittelalter begehrtes Baumaterial." Anderes ist erhalten geblieben, einige der bislang in Dormagen gemachten Funde sind im Rathaus zu sehen: Eiserne Spitzen aus Eisen, Steine für Schleudern, Keramik aus Terra Sigillata - dem "guten Porzellan" zur Römerzeit, oder ein steinernes Mühlespiel mit Spielsteinen aus Knochen und Glas. Lothar Pingel wartet nun darauf, dass es mit dem Hausbau losgehen kann, und hofft, "dass wir für die Genehmigungen bei der Stadt auf Entgegenkommen stoßen und schnell anfangen können".

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