Novaesium, alias Neuss

Varus, P. Quinctilius, römischer Statthalter (Legat) Germaniens, geb. um 46 v.Chr., gest. 9. n.Chr. Er stammte aus patrizischer Familie und war durch Heirat (Schwiegersohn des Agrippa) mit der Familie des Augustus verwandt. In den Jahren 22/21 v.Chr. war er Quästor unter Augustus, 13 v.Chr. Konsul, wohl 7/6 v.Chr. Procansul von Africa und 6-4/3 v.Chr Statthalter von Syrien, wo er einen Aufstand der Juden niederschlagen ließ. Als Oberbefehlshaber in Germanien 7-9 n.Chr. versuchte er, die von Drusus und Tiberius bis zur Elbe unterworfenen Gebiete als Provinz einzurichten, besonders die Steuereintreibung zu systematisieren und die römische Rechtsprechung einzuführen.

Kupfermünze
[Voll-Ansicht]
Unter dem Vorwand, ein Aufstand müsse niedergeschlagen werden, wurde Varus im Herbst (etwa September) 9 n.Chr. mit seinem aus drei Legionen (der 17., 18. und 19., deren Ziffern später nicht mehr verwendet wurden), drei Alen und sechs Auxiliarkohorten sowie zahlreichen Hilfstruppen bestehenden Heer, das sich auf dem Marsch von der Weser zum Rhein in ihr Winterlager befand, tiefer in rechtsrheinisches Gebiet gelockt. In einem Hinterhalt im Teutoburgiensis saltus (lat.: Teutoburger Waldgebiet; Tac. Ann. 1,60; eine Bezeichnung, nach der der Teutoburger Wald im 17./18. Jh. seinen Namen erhielt) wurden die römischen Truppen durch eine Allianz von Cheruskern und benachbarten Stämmen unter der Führung des Arminius nach dreitägigem Kampf völlig aufgerieben. Varus selbst und mehrere seiner Offiziere nahmen sich noch auf dem Schlachtfeld das Leben. Die clades Variana war die schwerste militärische Niederlage Roms unter Augustus und führte letztlich zur Aufgabe der römischen Expansionspläne in rechtsrheinisches Gebiet.

Der Ort der Schlacht wurde bisher u.a. im heutigen Teutoburger Wald, im Gebiet von dort bis zur Weser, am Nordrand des Wiehen- und Wesergebirges, im Westen oder Südwesten des Teutoburger Waldes und im Bergland der Münsterländer Bucht vermutet. Seit einigen Jahren wird jedoch aufgrund archäologischer Untersuchungen (seit 1987) wieder eine Lokalisierung am nördlichen Rand des Wiehengebirges, in der Kalkrieser-Niederwedder Senke, 16 km nordöstlich von Osnabrück, diskutiert. Dort wurden auf einem mehr als 4 km langen Areal zahlreiche römische Gold- und Silbermünzen sowie eine auffällig große Zahl von Kliedung, Ausrüstung und Bewaffnung römischer Legionare gefunden, welche in dieser Konzentration als Zeugnisse einer bedeutenden kriegerischen römisch-germanischen Auseinandersetzung der Zeit kurz nach der Zeitenwende gedeutet werden können. Ferner kamen Reste eines maultierbespannten Wagens, Waagen und Gewichte zu Tage, die dem Troß zugewiesn werden können, und vor wenigen Jahren wurden zudem Gebeine von Menschen und Tieren entdeckt. Schließlich wird auch die topographische Lage (Engpaß zwischen Wiehengebirge und Großem Moor, flankiert von einer germanischen Rasensodenmauer) zur Unterstützung der Lokalisierungsthese herangezogen.

Quelle: H. Brunner - K. Fessel - F. Hiller (Hrsg.), Lexikon Alte Kulturen 3 (1993) 596 s.v. Varus und Th. Fischer, Die Römer in Deutschland (Stuttgart 1999) 28-33.

Literatur:

  • Harnecker, J.: Arminius, Varus und das Schlachtfeld von Kalkriese. Eine Einführung in die archäologischen Arbeiten und ihre Ergebnisse, 2., aktualisierte Aufl. (Bramsche 2002).
  • Husemann, D.: Der Sturz des römischen Adlers. 2000 Jahre Varusschlacht (Frankfurt 2008).
  • Kehne, P.: Limitierte Offensiven. Drusus, Tiberius und die Germanienpolitik im Dienste des augusteischen Prinzipats, in: Spielvogel, J.; Bleicken, J. (Hg.): Res publica reperta. Zur Verfassung und Gesellschaft der römischen Republik und des frühen Prinzipats. Festschrift für Jochen Bleicken zum 75. Geburtstag, Hermes-Einzelschriften Sonderband (Stuttgart 2002) 297–321.
  • Kühlborn, J.-S. (Hg.): Germaniam pacavi - Germanien habe ich befriedet. Archäologische Stätten augusteischer Okkupation (Münster 1995)
  • Lehmann, G. A.: Zur historisch-literarischen Überlieferung der Varus-Katastrophe 9. n. Chr., Boreas 13, 1990, 143-164.
  • Ders.; Wiegels, R. (Hg.): Römische Präsenz und Herrschaft im Germanien der augusteischen Zeit. Der Fundplatz von Kalkriese im Kontext neuerer Forschungen und Ausgrabungsfunde, Beiträge zu der Tagung des Fachs Alte Geschichte der Universität Osnabrück und der Kommission "Imperium und Barbaricum" der Göttinger Akademie der Wissenschaften in Osnabrück vom 10. bis 12. Juni 2004, Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse, Folge 3, 279 (Göttingen 2007).
  • Lenz, K.-H.: Die 19. Legion auf ihrem Weg nach Kalkriese. Zu den Feldzügen zur Zeit des Augustus nördlich der Alpen, in: W. Menghin - Dieter Planck (Hrsg.), Menschen - Zeiten - Räume. Archäologie in Deutschland, Katalog der Ausstellung Berlin/Bonn 2003 (Stuttagrt 2003) 243-249.
  • Märtin, R.-P.: Die Varusschlacht. Rom und die Germanen. (Frankfurt 2008).
  • Schlüter, W. (Hrsg.): Kalkriese - Römer im Osnabrücker Land, Archäologische Forschungen zur Varusschlacht, 3. Aufl. (Bramsche 1994).
  • Ders. (Hg.): Rom, Germanien und die Ausgrabungen von Kalkriese. Internationaler Kongress der Universität Osnabrück und des Landschaftsverbandes Osnabrücker Land e.V. vom 2. bis 5. September 1996, Kulturregion Osnabrück 10 (Osnabrück 1999).
  • Ders.: Kalkriese, in: Reallexikon der germanischen Altertumskunde XVI (2000) 180-194.
  • Ders. - Wiegels, R. (Hrsg.): Rom, Germanien und die Ausgrabungen von Kalkriese. Akten des Internationalen Kongresses vom 2. bis 5. September 1996 an der Universität Osnabrück, Osnabrücker Forschungen zu Altertum und Antike-Rezeption 1 (Osnabrück 1999).
  • Sommer, M.: Die Arminiusschlacht. Spurensuche im Teutoburger Wald (Stuttgart 2009).
  • Timpe, D.: Römisch-germanische Begegnung in der späten Republik und frühen Kaiserzeit. Voraussetzungen - Konfrontationen - Wirkungen, Beiträge zur Altertumskunde 233 (München 2006).
  • Walther, L.: Varus, Varus! Antike Texte zur Schlacht im Teutoburger Wald (Stuttgart 2008).
  • Wiegels, R. (Hrsg.): Die Fundmünzen von Kalkriese und die frühkaiserzeitliche Münzprägung, Akten des wissenschaftlichen Symposions in Kalkriese, 15-16. April 1999, Osnabrücker Forschungen zu Altertum und Antikenrezeption 3 (Möhnesee 2000).
  • Ders.: Hermeneutik des Hinterhalts: die antiken Berichte zur Varuskatastrophe und der Fundplatz von Kalkriese, Klio 85 (2003) 131-170.
  • Ders. (Hrsg.): Die Varusschlacht. Wendepunkt der Geschichte?, Archäologie in Deutschland Sonderheft 2007 (Stuttgart 2007).
  • Ders.; Woesler, W. (Hg.): Arminius und die Varusschlacht: Geschichte, Mythos, Literatur: Kolloquium "Arminius und die Varusschlacht. Geschichte - Mythos - Literatur". 3., aktualis. und erw. Aufl. (Paderborn 2003).
  • Wolters, R.: Die Schlacht im Teutoburger Wald. Arminius, Varus und das römische Germanien. 2., durchges. Aufl. (München 2009).

Weitere Informationen im Internet:

[ Fenster schließen ]